Ethische Fragen einer nachhaltigkeitsorientierten KI

Ein Expertinnenbeitrag von Dr. Olga Levina, FZI Forschungszentrum Informatik über die ethischen Aspekte der Digitalisierung Die Verbreitung der Künstlichen Intelligenz (KI) hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft. Wenn wir über die Vorteile der KI-basierten Lösungen für Wirtschaft und Alltag nachdenken, müssen wir auch darüber nachdenken, was die Auswirkungen des Erzielens dieser Lösungen für unsere Gesellschaft und Umwelt bedeuten.

Dr. Olga Levina studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin und Wirtschaftswissenschaften an der LUISS in Rom. Sie promovierte in Wirtschaftsinformatik an der TU Berlin und forscht am FZI Forschungszentrum Informatik über die ethischen Aspekte der Digitalisierung.

KI - ein Werkzeug für den Umgang mit dem Klimawandel

KI-basierte Anwendungen verfügen über die Möglichkeit aus einer Vielzahl von Daten Zusammenhänge abzuschätzen und daraus Vorschläge oder Entscheidungen abzuleiten. Diese Funktionen sind gerade für das Verstehen und Koordinieren von komplexen Beziehungen und Abhängigkeiten wie sie im Kontext der Nachhaltigkeit vorkommen sehr wichtig. So kann unser Verhalten aufgrund von den von uns geschaffenen Daten nachvollzogen, Wetter- und Klimaereignisse vorhergesagt sowie neue Produkte und Dienste entwickelt werden, die uns dabei helfen können, die Auswirkungen unseres Handelns auf die Klimaveränderung zu verkleinern.

KI erfordert Daten- Wer bestimmt welche?

Um diese Produkte und Dienste realisieren zu können, müssen passende Daten gesammelt, meist auch gespeichert und ausgewertet werden. Welche und wie viele Daten es sein sollen, wird aktuell von den Anbietern der KI-basierten Anwendungen bestimmt. Doch neben den großen IT-Konzernen sind es auch öffentliche Institutionen wie Stadtverwaltungen, die Sensoren und Kameras zur Aufnahme der Umweltinteraktionen im öffentlichen Raum, häufig mit dem Argument der Sicherheit, aufstellen lassen.

KI ist ressourcenintensiv

Der Einsatz von Sensoren und „smarten“ Geräten, die Daten sammeln, um unser Verhalten nachhaltiger zu gestalten, geht mit Kosten der ressourcenintensiven IT, die zur Speicherung, Verarbeitung und Darstellung dieser Daten benötigt wird, einher. So werden die Daten in weltweit verteilten Datenzentren gespeichert. Diese konsumieren aktuell so viel Strom pro Tag wie Südafrika. Das Verarbeiten geschieht durch Modelle, s.g. Algorithmen, die zunächst eine Anlernphase benötigen, um ihre Berechnungen korrekt durchführen zu können. Das Anlernen eines KI-Modells wie es bei Sprachassistenten in Smartphones eingesetzt wird, stößt so viel CO2 aus wie der Hin- und Rückflug zwischen New York und Beijing, und das ca. 125 mal. Diese Ressourcenintensität bedeutet auch, dass größtenteils wohlhabende Gesellschaften diese Technologie einsetzten und weiterentwickeln. So bleiben die Datenbestände und in Folge die darauf basierenden maschinellen Entscheidungen entsprechend einseitig.

Maschinelle Entscheidungen können der Komplexität der Fragestellung nicht ausreichend gerecht werden

Die Vorhersagen und Simulationen, die dabei helfen sollen, die Auswirkungen des Klimawandels oder der getroffenen Maßnahmen abzuschätzen, basieren auf Daten aus der Vergangenheit. Ihre Auswertung kann also dazu führen, dass die Wahrnehmung der vergangenen Ereignisse verstärkt und die der zukünftigen Entwicklungen unterschätzt wird. Einseitige Datenbestände können zu Entscheidungen führen, die bestimmte Situationen oder gesellschaftlichen Gruppen unfair behandeln oder sie sogar schlechter stellen. So wird unsere Gesellschaft zunehmend von digitalen Technologien geformt.

Brauchen wir KI überall?

Wir haben KI in unseren Alltag ohne sie zu hinterfragen aufgenommen. Sie macht unseren ihn zum Teil einfacher und vor allem unterhaltsamer. Sie ermöglicht große Fortschritte unter anderem in Medizin und Klimaforschung. Ihre Anwendung und Gestaltung ist jedoch mit hohen Kosten für die Umwelt und Gesellschaft verbunden. Deswegen müssen wir uns als Gesellschaft darüber klar werden, wo wir dieses Werkzeug einsetzten müssen und ob alles, was im Alltag technisch möglich, auch aus der Sicht der Gesellschaft und der Nachhaltigkeit nötig ist.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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