Wenn schlaue Software zur Schöpferin wird – wem stehen die Daten und Erzeugnisse zu?

Ein Expertenbeitrag von Dr. Alexander Duisberg, Partner bei Bird & Bird
Lernfähige Systeme führen schon heute eine Vielzahl von Aufgaben aus: Sie prognostizieren Marktentwicklungen, erkennen Gesichter, analysieren Social Media-Inhalte und sind die Basis für intelligente Sprachassistenten. Die Palette der KI-Anwendungen wächst stetig – und reicht inzwischen auch in den kreativen Bereich hinein. Der von Springer-Chef Mathias Döpfner vorhergesagte Roboter-Journalismus oder auch die KI-Gemälde der französischen Künstlergruppe Obvious sind nur zwei Beispiele KI-gestützter Schöpfungsprozesse. Bei allen Schaffensvorgängen, die von intelligenten Algorithmen durchgeführt werden, stellt sich die Frage, wem die neu entstandenen Daten und elektronischen Erzeugnisse schlussendlich gehören bzw. zustehen. Wie verhält es sich mit Künstlicher Intelligenz und Datensouveränität? 

Je mehr Daten unterschiedlichster Farb- und Formgebung wir produzieren, speichern und verarbeiten, umso komplexer wird zugleich die Auslegung der rechtlichen Normen, die den Umgang mit eben diesen Datenbeständen regeln sollen. Der Einsatz lernfähiger Algorithmen stellt eine weitere Dimension dar, welche die Auslegung von Urheber- und Verwertungsrechten nicht weniger komplex werden lässt. Wem gehören die Informationen und Inhalte, wenn Sie von einer KI produziert wurden?

Dr. Alexander Duisberg ist Partner bei Bird & Bird in München. Er gilt als einer der führenden Experten im Bereich Informationstechnologie und Datenschutz. Seine Expertise umfasst insbesondere Themen wie agile Softwareentwicklung, Big Data, Cloud Computing, transaktionaler Datenschutz und Datensicherheit, Digitalisierung und Industrie 4.0.. Er ist Mitglied diverser „Think Tanks“ der Bundesregierung, die zu den Projekten „Trusted Cloud”, „Smart Data“ und „Plattform Industrie 4.0“ die einschlägigen Rechtsfragen diskutieren.


Kein zivilrechtliches Eigentum an Daten

Bei der Betrachtung von KI-Datensouveränität ist zunächst ein Ausgangspunkt von maßgeblicher Bedeutung: Es gibt kein zivilrechtlich begründetes Eigentum an Daten und Informationen. Das Thema der Rahmenbedingungen für Datensouveränität und Digitalisierung schlägt nicht ohne Grund auch in der Politik derzeit hohe Wellen. Es ist eine wichtige Debatte, die auch juristisch mit Sorgfalt geführt werden muss. Der rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Konsens tendiert inzwischen stark dahin, dass die Einführung eines Dateneigentums und anderer restriktiver Ansätze weder ökonomisch noch juristisch zielführend wäre. Einige Expertinnen und Experten, darunter beispielsweise die Ökonomin Nicola Jentzsch, gehen sogar davon aus, dass die Verankerung von Eigentumsrechten an Daten nicht nur der Innovationsdynamik, sondern auch der Privatsphäre einzelner Personen schaden könnte. Der Druck, wirtschaftliche Gewinne durch den Verkauf „eigener Daten“ zu erzielen, könne einen „sozialen Zwang der Preisgabe“ auslösen, so Jenztsch.
Jedenfalls dürfen wir nicht „ewig diskutieren“, bevor wir an die Umsetzung gehen. Zum einen muss das hohe Schutzniveau der Persönlichkeitsrechte auch künftig gewahrt bleiben. Zugleich müssen wir alles tun, um einer Abwanderung digitaler Wertschöpfung in das Ausland entgegenzuwirken.

Über Datenteilung zur Datenökonomie

Mit Verordnungen wie beispielsweise der PSI-Richtlinie hat die EU bereits vor Jahren erste grundlegende Maßnahmen für den offenen Umgang mit Daten umgesetzt. Die europäische Vorgabe zur Weiterverwendung von öffentlichen Informationen ist in Deutschland bereits seit 2006 als Informationsweiterverwendungsgesetz in Kraft. Ziel der Richtlinie ist es, Informationen, die im öffentlichen Sektor erhoben und erfasst werden, der Öffentlichkeit möglichst unbürokratisch zugänglich zu machen. Ein praktisches Beispiel ist die Verwendung von Daten aus Verkehrsleitsystemen für Mobilitätsdienstleistungen wie etwa innovativen Navigationsanwendungen. Der Grundgedanke hinter dieser Richtlinie ist, den freien Zugang zu Daten zu ermöglichen und damit Anreize für die Realisierung der Datenökonomie zu setzen. Ein verantwortungsbewusster Umgang und die Einhaltung des Datenschutzes bleibt dabei natürlich unverzichtbarer Bestandteil der Compliance-Anforderungen. Wer personenbezogene Daten mittels KI verarbeitet, muss sich an die DSGVO halten. Dabei müssen wir zu vernünftigen Lösungen finden, um KI-basierte Prozesse durch geeignete Pseudonymisierungsverfahren leichter durchführen zu können. Denn das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Wirkungsweise von KI setzt eine möglichst transparente Kommunikation voraus.

Leistungsschutz im Blick behalten

Was bei der Frage nach der rechtlichen Einordnung von KI-Daten und daraus erstellten Produkten sicherlich Beachtung finden muss, ist die Frage nach dem Leistungsschutz. Denn unabhängig davon, wie die Besitzrechte bestimmter Daten verortet sind, sollten ähnlich der Verwertung von künstlerischen Produkten wie Musik oder Literatur die bei ihrer Erstellung eingebrachten Leistungen und Aufwände Berücksichtigung finden. Es zählt also nicht der Schöpfungsakt an sich, sondern die Erstellung der Leistung resp. das Ergebnis. Im Sinne einer datenökonomisch motivierten Verwertung KI-basierter „Kreationen“ muss geklärt werden, wer Urheber ist und an wen die Erlöse gehen. Und auch, wer als juristische Person im Hintergrund verantwortlich zeichnet. Hier sind uns die Briten mit ihrem Urheberrecht einen Schritt voraus: Urheber ist derjenige, der die erforderlichen Vorkehrungen („necessary arrangements“) für die Erschaffung des durch einen Computer erstellten Werkes getroffen hat. Die Zuordnung darüber kann im Zweifel dann auch über Verträge getroffen werden. Aber auch bei uns geht die Fachmeinung mehr und mehr dahin, dass nicht die Entwicklerin oder der Entwickler eines intelligenten Algorithmus, sondern ihr Anwender Schutzrechte erwirbt, aber auch die Haftungsverantwortung trägt.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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