Wie Künstliche Intelligenz hilft, die Umwelt zu überwachen

Ein ExpertInnenbeitrag von Melanie Löw und Professor Dr. Thorsten Stoeck, Technische Universität Kaiserslautern

Zu viel Nitrat in unseren Gewässern oder die Versauerung der Meere, die etwa Korallenriffen zu schaffen macht, sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie der Mensch die Umwelt verändert. Um Schäden möglichst früh entgegenzuwirken, ist es wichtig, den Zustand von Ökosystemen zu überwachen. Mikroorganismen eignen sich als Indikatoren, weil sie auf solche Veränderungen sehr schnell und sensibel reagieren. Ihnen kommt in Ökosystemen eine Schlüsselfunktion zu. Da die Identifizierung von Mikroben jedoch sehr schwierig ist, spielten diese potentiellen Bioindikatoren beim Überwachen der Umwelt bislang eine untergeordnete Rolle. Maschinelles Lernen (ML), ein Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI), erlaubt es nun, das Potential von Mikroorganismen als Bioindikatoren auszuschöpfen.

Dr. Thorsten Stoeck ist Professor für Ökologie am Fachbereich Biologie der Technischen Universität Kaiserslautern. Ein Hauptanliegen der Arbeitsgruppe von Professor Stoeck ist der Transfer von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung in die angewandte Ökologie. Im Mittelpunkt stehen dabei mikrobielle Organismen, aquatische Ökosysteme und deren Dienstleistungen, sowie die Auswirkungen des Klimwandels und deren Bedeutung für Ökosystem-Entwicklungen und -Dienstleistungen.
Melanie Löw ist Redakteurin in der Hochschulkommunikation der Technischen Universität Kaiserslautern. Nach ihrem Biologiestudium und einem Verlagsvolontariat arbeitet sie schon lange Jahre im Bereich der Wissenschaftskommunikation.

Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz und in Schottland entwickelt die Arbeitsgruppe um Professor Stoeck an der TU Kaiserslautern, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dieses KI-Verfahren als Beispiel zum Monitoring von Lachsfarmen. Die Aquakultur von Lachs gehört zu den am rasantesten wachsenden Zweigen der Lebensmittelproduktion. Eine Beeinträchtigung der Küstengewässer in der Umgebung von Lachsfarmen bleibt dabei nicht aus. Strenge Regularien und Monitoringprogramme helfen dabei, das Ökosystem nicht bis über seine Belastungsgrenze zu beanspruchen. Aktuell geschieht dies über mikroskopische Untersuchungen von Makroinvertebraten (z. B. kleine Würmer, Muscheln, Seesterne und Krebse) auf und im Meeresboden. Dies ist jedoch sehr teuer und zeitaufwendig und erlaubt die Untersuchung von nur wenigen Proben, sodass an neuen Monitoringverfahren geforscht wird.

Dabei können nun DNA-Sequenzen von Mikroorganismen helfen. Ähnlich wie ein Fingerabdruck nur einer Person zugeordnet werden kann, ist auch ein spezieller Bereich des Bakteriengenoms für jede Bakterienart charakteristisch. Im Vergleich zum traditionellen mikroskopischen Biomonitoring mittels Makroinvertebraten liegen die Ergebnisse des Bakterien-DNA-Monitorings bereits nach kurzer Zeit vor und das Verfahren ist erheblich kostengünstiger. Dies erlaubt bei gleichbleibendem Budget die Untersuchung von mehr Proben in der Zukunft – eine unausweichliche Entwicklung in Anbetracht des steig wachsenden Drucks auf unsere Umwelt und die Dienstleistungen, die wir aus natürlichen Ökosystemen beziehen.


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Künstlicher Intelligenz kommt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung dieses neuen Verfahrens zu: Geringste Mengen einer Umweltprobe enthalten zehntausende verschiedener Bakterienarten, deren Sequenzsignaturen sich mittels moderner molekularbiologischer Verfahren innerhalb weniger Tage gewinnen lassen. Durch das Füttern eines Computers mit den richtigen Daten lernt ein Algorithmus, welche dieser genetischen Fingerabdrücke als Indikatoren dienen und welchen Grad der Umweltbelastung diese Signaturen anzeigen. Als Lernbasis bekommt der Algorithmus Trainingsdaten, bestehend aus zwei Komponenten: einer bekannten Grundwahrheit sowie den genetischen Signaturen. Im speziellen Fall der Lachsfarmen besteht diese Grundwahrheit in dem Grad der Umweltbelastung (je nach Regularien werden zwischen vier-sechs Umweltklassen unterschieden), welche durch das aktuellen Standardverfahrens mittels Makroinvertebraten ermittelt wird. Der Computer bekommt also zu jeder untersuchten Probe den Belastungsgrad als Information sowie die genetischen Signaturen der Bakterien in dieser Probe. Mit steigender Anzahl von Proben lernt der Algorithmus immer besser, welche genetischen Signaturen mit hoher Signifikanz einer bestimmten Umweltklasse zugeordnet werden.

Ab einem bestimmten Punkt hat der Computer ausgelernt und kann zufällig ausgewählte genetische Signaturen aus den Trainingsdatensätzen exakt einer Umweltklasse zuordnen, ohne Wissen über die Grundwahrheit. Im nächsten Schritt kann ein Umweltmonitoring ausschließlich über genetische Signaturen erfolgen, ohne dass parallel dazu Daten aus dem traditionellen Standardverfahren mit Makroinvertebraten vorliegen müssen. Dies ist das Ziel der Forschung in der Arbeitsgruppe von Professor Stoeck.

Dazu erfordert der Algorithmus zum Erreichen jedoch noch ein wenig Training. Die Zusammensetzung von Bakteriengemeinschaften im Meeresboden kann stark variieren. Das hängt etwa vom geographischen Ort, den lokalen Gegebenheiten einer Lachsfarm sowie der Jahreszeit ab. Momentan konzentrieren sich die aktuellen Forschungen darauf, diese Einflussgrößen in den Algorithmus des Maschinellen Lernens zu integrieren. Nach und nach wird auf diese Art der Algorithmus verfeinert, bis er immer genauer ist und als Routineinstrument zum Einsatz kommen kann, um die Belastung unsere Umwelt in automatisierten Hochdurchsatzverfahren zu überwachen. So kann er dazu beitragen, sorgsam mit unseren Ressourcen umzugehen und unsere Lebensgrundlage zu sichern.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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