6. Juli 2011: Welt-Kuss-Tag

 

 

Die Schauspielerin Lucilla Agosti beim 66. Internationalen Filmfestival in Venedig 2009. Foto: Nicolas Genin Minimales Infektionsrisiko: Der Luftkuss

In der Publikationsliste von Otto Ferdinand Best (1929–2008) gibt es einen bemerkenswerten Bruch: Zunächst veröffentlichte der deutsche Literaturwissenschaftler Werke wie das „Handbuch der literarischen Fachbegriffe“ oder „Berthold Brecht. Weisheit und Überlegungen“. Doch mit seiner Pensionierung wechselte er Fach- und Publikationsgebiet: „Der Kuss. Eine Biographie“, „Der Lippen süßer Eros. Kussgedichte“ und „Die Sprache des Kusses. Eine Spurensuche“  lauten nun die Titel seiner Bücher.

Professor Best war im Rentenalter der Philematologie verfallen. Er beschäftigte sich in seiner neu gewonnenen Freizeit mit dem, was nach Darwin in 90 Prozent der menschlichen Gemeinschaften üblich und übrigens auch im Tierreich verbreitet ist: mit dem Kuss als physiologischem, sozialem und kulturellem Phänomen.

Zwar ist die Philematologie heute (noch?) kein wesentlicher Bereich der Gesundheitsforschung. Doch den 6. Juli, internationaler und wohl 1990 in London aus der Taufe gehobener Tag des Kusses, kann selbst das Wissenschaftsjahr nicht ignorieren und informiert über die Risiken und Nebenwirkungen mündlicher Kontakte, die aus philematologischer Sicht zu erwarten sind. Wobei wir uns – der Mensch steht stets im Mittelpunkt – auf humane Kusspartner konzentrieren.

Warum sollte man küssen?

Es gibt eine Reihe handfester medizinischer Gründe, die für das Küssen sprechen. Um einige der wichtigsten zusammenzufassen: Küssen ist Sport. Das Herz schlägt schneller, Körpertemperatur und Blutdruck steigen und die Lungenalveolen werden (um soviel wie möglich des knapper werdenden Sauerstoff aufzunehmen) stärker durchblutet. Im Regelfall schüttet der küssende Körper außerdem Glückshormone wie Endorphine und Serotonin aus. Falls diese hormonelle Beglückung nicht ausreicht: 100 Gramm Meerrettich ist dank der bis zu 40 an einem Kuss beteiligten Muskeln schon nach neun Minuten weggeküsst. Für 100 Gramm Kaviar brauchen geübte Küsser eine Stunde. Und schon 140 Kuss-Minuten reichen, um 100 Gramm Kartoffelchips abzutrainieren. Küssen macht also schlank – zumal währenddessen die Nahrungsaufnahme weitgehend ausgeschlossen ist.

Entgegengenommen werden dagegen unzählige Bakterien und Viren, gegen die der Empfänger bzw. die Empfängerin dann im Idealfall Resistenzen ausbildet. Küssen kann insofern wie eine Impfung wirken. Das jedenfalls haben Philematologen der renommierten University of Leeds festgestellt. Dieser Impfschutz, so konstatieren die Forscher, übertrage sich sogar von der Mutter auf ihr ungeborenes Kind, das dann ebenfalls gegen die beim Vaterkuss übertragenen Krankheitserreger immun sei.

Soweit der Idealfall. Doch zuweilen ist es aus medizinischer Perspektive geboten, selbst verwunschenen Prinzen den Lippengruß zu verweigern.

Küssen verboten!

Bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit, akutem Herpes sowie Angina tonsillaris (Mandelentzündung) sollten Sie, was das Küssen angeht, abstinent bleiben, um orale Infektionen zu vermeiden und Ihrem näheren Umfeld ähnliche Leiden zu ersparen. Auch Salmonellen sollten Sie möglichst bei sich behalten und nicht via Speichel auf andere übertragen. Arzt und Apotheker geben gerne weitere Auskünfte.

Bevor Sie sich küssen lassen oder selbst in dieser Hinsicht aktiv werden, sollten Sie sich außerdem über ein weiteres Ansteckungsrisiko im Klaren sein: Die meisten Erwachsenen in Deutschland sind mit Caries dentium infiziert. Was wohl zu einem guten Teil an den 110.000 Minuten liegt, die jeder von ihnen – von uns? – in seinem Leben ungeachtet dieses Infektionsrisikos küssend verbringt.

Aus guten Gründen, wie wir dank der Philematologie heute bestens wissen.