Ist der Mindestlohn ein Gewinn für das Wirtschaftswachstum?

Der Mindestlohn nützt der Gesamtwirtschaft: Höherer Konsum, stärkeres Wachstum, mehr Staatseinnahmen. Das wird vor allem dann so bleiben, wenn der Staat die zusätzlichen Einnahmen zeitnah wieder ausgibt. Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein Mindestlohn. Bis Ende 2016 lag er bei 8,50 Euro pro Stunde, seit 2017 bei 8,84 Euro und soll ab dem 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro steigen. Die Erfahrungen mit der gesetzlichen Lohnuntergrenze sind nach rund dreieinhalb Jahren gut. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung. Löhne im Niedriglohnsektor sind deutlich gestiegen. Vor der Einführung verbreitete Warnungen, der Mindestlohn werde massenhaft Beschäftigung kosten, haben sich nicht bestätigt.

Ein Team des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Technik hat für den Zeitraum von zehn Jahren Szenarien mit und ohne Mindestlohn durchgerechnet und verglichen. So lässt sich abschätzen, was der Mindestlohn bislang bewirkt hat und noch bewirken könnte. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erkennen in der Lohnuntergrenze einen Wachstumsverstärker. So fällt das Bruttoinlandsprodukt in dem Szenario mit Mindestlohn durchgehend 0,25 Prozent höher aus. Sogenannte „Spillover-Effekte“ lassen auch die Löhne angrenzender Gehaltsgruppen steigen. Die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme erhöht sich dadurch nach zwei Jahren um gut ein Prozent, nach zehn Jahren um zwei Prozent. Im unteren Bereich der Lohnverteilung, wo die Steigerungen anfallen, ist die Konsumquote vergleichsweise hoch. Der private Verbrauch legt somit um 0,5 bis 0,7 Prozent zu, was sich in einer höheren Wirtschaftsleistung niederschlägt. Diese Wachstumseffekte fußen auf einer stabilen Beschäftigungslage. Der Studie zufolge dürften zwar Minijobs weggefallen sein. Diese wurden aber größtenteils in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen umgewandelt. Somit ändert sich am Arbeitsvolumen insgesamt nichts und auch der Fiskus profitiert von den steigenden Steuereinnahmen.

Interview mit Studienautor Dr. Alexander Herzog-Stein

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Ein weiteres Szenario der Studie zeigt die Effekte auf, wenn der Staat die Mehreinnahmen für höhere Ausgaben nutzt. Das ist seit 2015 der Fall. Im Ergebnis wächst der Staatsverbrauch so um ein Prozent zusätzlich, der Wachstumseffekt fällt damit sogar doppelt so hoch aus. Auch die Beschäftigung liegt dann merklich über dem Szenario ohne Mindestlohn.

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Laut der Studie war der gesetzliche Mindestlohn notwendig zur Absicherung einer „makroökonomisch orientierten Lohnpolitik“. Der Mindestlohn verhindert ein Ausfransen der Lohnverteilung nach unten und stabilisiert das Tarifsystem. Wenn es auf dieser Basis gelingen sollte, eine makroökonomisch orientierte Lohnpolitik durchzusetzen, steigt der private Konsum innerhalb von 10 Jahren um zusätzlich 4,8 Prozent. Die Lohnquote würde gegenüber der Entwicklung in der Vergangenheit steigen, das Staatsdefizit weiter sinken. Das Fazit der der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lautet somit: Der Mindestlohn ist ein Gewinn für die Volkswirtschaft.


05.07.2018