Frauen reagieren auf geschlechtsspezifischen Verdienstunterschied

Frauen verdienen weniger. Zuletzt betrug die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen bei Vollbeschäftigten noch immer 16 Prozent. Trotzdem bewerten Frauen ihr Einkommen als gerechter als Männer dies tun. Ein wesentlicher Grund ist offenbar, dass sich die Arbeitswelt nach wie vor in typische Männer- und Frauenberufe teilt. Das zeigt eine für Deutschland repräsentative Untersuchung auf Basis der Daten der Langzeitstudie ‚Sozio-oekonomisches Panel‘ (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).Es erscheint paradox. Die Gesellschaft diskutiert seit Jahren über Lohnungerechtigkeiten. Aber offenbar nehmen die betroffenen Frauen diesen Missstand, von Fachleuten auch ‚Gender Pay Gap‘ genannt, nicht so drastisch wahr. In der Soziologie ist dieses Phänomen unter dem Begriff „Paradox of the contented female worker“ bekannt. Demnach messen Frauen der Höhe ihres Einkommens insgesamt weniger Bedeutung zu als Männer. Zudem vergleichen sie sich in erster Linie mit anderen Frauen und nehmen Einkommensnachteile gegenüber Männern anders wahr.

Der Bielefelder Soziologe Peter Valet, wissenschaftlicher Mitarbeiter des SOEP, stellte die Annahmen auf den statistischen Prüfstand. Er analysierte dafür die Daten von 16.837 erwerbstätigen Männern und Frauen, die zwischen 2009 und 2015 im Rahmen der Langzeitstudie SOEP regelmäßig befragt wurden. Sie gaben alle zwei Jahre Auskunft über ihr Erwerbseinkommen. Zudem schätzten sie ein, welche Einkommenshöhe sie selbst als gerecht empfinden würden. In der Studie wurde auch erfasst, ob die Frauen in einem frauen- oder in einem männerdominierten Beruf arbeiteten.

Vier von fünf der befragten Frauen empfanden ihren Verdienst als gerechter als Männer in einer vergleichbaren Position. Frauen haben aber kein grundsätzlich anderes Gerechtigkeitsempfinden als Männer, so die Studie. Vielmehr sei die Haltung darauf zurückzuführen, dass diese Frauen in einem frauendominierten Beruf arbeiteten. Ihren Lohn verglichen sie vor allem mit dem ihrer Geschlechtsgenossinnen. Frauen in männerdominierten Berufen hingegen kämen zu den gleichen Einschätzungen wie ihre männlichen Kollegen in vergleichbarer Position. Bei Frauen, die im Laufe ihres Berufslebens von einem frauen- in einen männerdominierten Beruf gewechselt hatten, zeigte sich der gleiche Effekt.

Die Studie, die jüngst im Fachmagazin ‚Sage Journals‘ erschienen ist, macht eins deutlich: Frauen in einer immer noch in frauen- und männerdominierte Berufe unterteilten Arbeitswelt nehmen die Verhältnisse unterschiedlich wahr. „Das kann dazu führen, dass sie bei Lohnverhandlungen weniger fordern als Männer und sich die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern demzufolge weiter verfestigt“, sagt Peter Valet. Er empfiehlt daher, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Gehälter für ihre Mitarbeitenden offenlegen sollten. So hätten alle dieselben Vergleichsmöglichkeiten.

22.03.2018