Computerlernspiele können mit klassischen Lehrformaten mithalten.

Computerspiele bedeuten keineswegs nur Freizeitvergnügen. Sie werden auch in der Ausbildung eingesetzt. Forschende aus Göttingen haben nun nachgewiesen, dass ein von ihnen mitentwickeltes Spiel in der Lehre mindestens so effizient ist wie Kleingruppenunterricht. Das Lernformat „Emerge“ simuliert Abläufe in einer Notaufnahme.

„Dies ist eine der ersten Studien, die genau geprüft haben, ob ein Computerspiel im Studium wirklich einen Nutzen hat oder nur den Spaßfaktor erhöht“, erklärt Tobias Raupach, Leiter des Bereichs Medizindidaktik und Ausbildungsforschung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Für die Studie konnten die Studierenden selbst entscheiden, ob sie sich Wissen über Erkrankungen in Kleingruppen erarbeiten oder ob sie das neue Computerspiel nutzen wollten. Die Notfall-Simulation sieht vor, dass bis zu 50 Studierende jeweils über die Computermaus eine Spielfigur durch eine dreidimensionale Darstellung einer Notaufnahme bewegen. Personen werden eingeliefert und müssen zum Teil gleichzeitig behandelt werden. Die Studierenden können bei ihren virtuellen Patienten eine Anamnese erheben und Untersuchungen anfordern.

„Uns war wichtig, dass die Simulation möglichst nah an der Realität liegt. Auch im Spiel muss man auf die Ergebnisse einer Laboruntersuchung warten, und die Medikamente haben einen direkten Einfluss auf den Herzschlag und den Blutdruck“, erläutert Nikolai Schuelper von der UMG, Letztautor der in der Online-Fachzeitschrift „PloS ONE“ veröffentlichten Studie. „Die Arbeit auf einer Notaufnahme ist anstrengend, weil hier unter Zeitdruck lebenswichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Das lässt sich in Vorlesungen oder Seminaren nicht gut trainieren“, sagt er.

Nach zehn Trainingseinheiten am Computer beziehungsweise zehn Stunden Kleingruppenunterricht unterzogen sich alle Studierenden einer Prüfung. „Wir haben praktisch keinen Unterschied in den Leistungen der beiden Studiengruppen gefunden. Für einige Inhalte, die mit dem Spiel trainiert wurden, fiel der Lernerfolg der Studierenden in der Emerge-Gruppe sogar größer aus als für die Studierenden in den Kleingruppen“, bilanziert Raupach.

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An der Notfall-Simulation „Emerge“ haben die Göttinger Forschende seit 2011 zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) gearbeitet. In Göttingen wird „Emerge“ unter anderem in einem sechswöchigen Lehrmodul zu Herz- und Lungenerkrankungen eingesetzt. Der Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Gerd Hasenfuß, betont, dass computergestützte Lehrangebote keine Ausnahme mehr sind: „Die Digitalisierung der Medizin ist schon weit fortgeschritten. Das fängt bei der Smartphone-App zum Blutdruck-Monitoring an und geht bis hin zu aufwendigen Computerspielen, in denen ganze Krankenhaus-Stationen simuliert werden können.“

18.09.2018