Unsere Jugend – Fit für die Arbeitswelten der Zukunft?

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Torsten Brinda, Gesellschaft für Informatik e.V. Wer in den Arbeitswelten von morgen bestehen will, muss vor allem eines: sie verstehen. Dafür braucht es mehr Informatik in der Schule, findet Prof. Torsten Brinda, Sprecher des Fachbereichs „Informatik und Ausbildung/Didaktik der Informatik“ der Gesellschaft für Informatik e.V.

Anfang April diesen Jahres wurden kurz hintereinander zwei Studien veröffentlicht und in den Medien breit diskutiert. Die eine, durchgeführt von der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), malte für die Industrienation Deutschland ein eher tristes Bild. Jede fünfte Arbeitnehmerin und jeder fünfte Arbeitnehmer könnte in den kommenden 15 bis 20 Jahren durch Roboter oder Software ersetzt werden, so die Botschaft.
Die zweite Studie fiel weitaus positiver aus. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführte Befragung kam zu der Annahme, dass durch neue Technologien mehr Arbeitsplätze geschaffen würden als wegfallen. In einem zentralen Punkt waren sich beide Lager jedoch einig: wer in der zukünftigen, durch Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung geprägten Arbeitswelt bestehen will, benötigt die richtigen Qualifikationen. Doch wie können wir sicherstellen, dass unsere Jugend diese Qualifikationen mit auf den Weg bekommt?

Prof. Dr. Torsten Brinda ist seit 2012 Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik der Informatik am Institut für Informatik und Wirtschaftsinformatik der Universität Duisburg-Essen. Dort forscht er unter anderem zu den Themen digitale Bildung, Kompetenzmodellierung und Schülervorstellungen. Daneben ist er Sprecher der Fachbereiches „Informatik und Ausbildung/Didaktik der Informatik“ (IAD) der Gesellschaft für Informatik e.V.

Informatische Kompetenz ist notwendig geworden

Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung führen zu veränderten Arbeits- und Organisationsprozessen, ermöglichen aber auch andere Formen des Lernens. Eine Fokussierung auf den kompetenten Umgang mit bestehenden Soft- und Hardware-Systemen greift jedoch zu kurz. Denn schon morgen können die Benutzungsschnittstellen völlig anders aussehen. Ganze wissenschaftliche Disziplinen verändern sich hinsichtlich Informations- und Erkenntnisgewinnung, Kommunikation und Produktion. Bereits heute werden informatische Mustererkennungsverfahren in der Medizintechnik eingesetzt, um Bildmaterial zu analysieren. Und in der Strömungsmechanik werden Computersimulationen dazu genutzt, Fahrzeuge jedweder Art effizienter zu machen. Die Arbeitswelt der Zukunft erfordert also nicht nur eine Weiterentwicklung in der Frage, wie wir lernen, sondern auch dahingehend, was wir lernen. Mit der Industrie 4.0, der Verknüpfung intelligenter und vernetzter Produkte und Dienstleistungen, sind informatische Kompetenzen notwendig geworden.
Junge Menschen müssen verstehen, wie Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung im Kern funktionieren, welche Auswirkungen diese auf ihr (Arbeits-)Leben haben und wie man entsprechende Systeme, zumindest zusammen mit spezialisierten Fachleuten, selbst gestalten könnte. Sollen deswegen alle Jugendlichen Programmierer werden? Nein. Nur weil es verpflichtenden Mathematikunterricht gibt, streben ja auch nicht alle jungen Menschen eine Mathematik-Laufbahn an. Vielmehr geht es darum, auch die Grundlagen der „digitalen Welt“ allen Schülerinnen und Schülern zugänglich zu machen.

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Deutschland muss aufholen

Deutschland ist im Bereich digitaler Bildung bereits weit abgeschlagen: viele uns umgebende Länder haben längst informatische Bildung verpflichtend für alle Schülerinnen und Schüler implementiert oder führen sie gerade ein. Kernfragen der Digitalisierung, wie beispielsweise die Funktionsweise des Internets der Dinge, was Big Data bedeutet oder wie personenbezogene Daten verknüpft und ausgewertet werden, und mit welchen Konsequenzen, haben bislang in der Breite keinen verbindlichen unterrichtlichen Ort in Schulen. Wir sollten aber Informatik genauso selbstverständlich als Pflichtfach an Schulen etablieren, wie Physik, Chemie oder Biologie und dieses Fach von dazu ausgebildeten Lehrkräften unterrichten lassen. Ohne Informatik gäbe es keine Digitalisierung. Wer Jugendliche ernsthaft auf die „digitale Welt“ im privaten wie im beruflichen Sinne vorbereiten möchte, muss das somit auch im Hinblick auf die Informatik machen. Daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten.


Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 – Arbeitswelten der Zukunft.