Kann Künstliche Intelligenz kreativ sein?

Ein Expertenbeitrag von Michael Katzlberger, CEO TUNNEL23
Unser Wirtschaftswachstum ist seit jeher von menschlicher Kreativität und Innovationen bestimmt. Ein Blick in die Geschichtsbücher hält vor Augen, dass die treibenden Kräfte die Erfindung der Elektrizität und der Dampfmaschine waren. Von der Künstlichen Intelligenz (KI), die als Universaltechnologie großes ökonomisches Potenzial hat, erwartet man einen ähnlichen Effekt. Sie wird als „Accelerator Technologie“ bezeichnet, die alle Branchen durchdringt und Innovationen beschleunigt, so auch die Kreativindustrie.

Über kreative Maschinen wird jedoch selten gesprochen, gelten doch Intuition, Improvisation und Kreativität als ureigenste menschliche Eigenschaften, die sich eine gefühllose, siliziumbasierte Maschine angeblich nicht aneignen kann. Man darf sich aber durchaus die Frage stellen, ob das so bleiben wird. Denn der Mensch hat es durch seine Innovationskraft geschafft, immer bessere und leistungsfähigere Maschinen zu bauen.

So ist nach dem derzeitigen Stand der Forschung und unter Berücksichtigung des großen Wachstums nicht auszuschließen, dass es in den nächsten Jahrzehnten zu einer maschinellen Intelligenzexplosion kommt. Vom „Geist in der Maschine“ sind wir zwar noch ein Stück weit entfernt, aber diese Schöpfung kann und wird auch Kreativleistungen vollbringen.

Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen sind bedeutende Fortschritte im Bereich des Maschinellen Lernens, bei dem die KI anhand von Beispielen lernt und sich selbst verbessert. Basis dafür sind künstliche neuronale Netze.

Michael Katzlberger ist Gründer und Geschäftsführer von TUNNEL23, einer der führenden, unabhängigen digitalen Kreativagenturen in Österreich. Seit Ende der 90er Jahre beschäftigt er sich in erster Linie mit innovativen Projekten zur Weiterentwicklung digitaler Werbeformen, insbesondere im Online und Mobile Bereich sowie Artificial Intelligence in der Kreativbranche.

Genau diese Technologie haben wir uns unter anderem bei unserem Projekt „Sonnenblicke auf der Flucht“ zunutze gemacht, bei dem eine von uns trainierte KI ein Gedicht getextet hat. Die großen Meister Goethe und Schiller dienten als Lehrer, unsere Maschine traf also Entscheidungen auf Basis historischer Trainingsdaten. Das Endergebnis, also das finale Gedicht, das sehr polarisiert hat, war nicht vorhersehbar.

Kritiker meinen, das Gedicht sei nicht als Kunst zu betrachten, sondern nur als zufällige Aneinanderreihung von Worten und Sätzen auf Basis moderner Algorithmen. Sie mögen recht haben. Aber haben nicht die kreativen, oft vergötterten Köpfe unserer Zeit auch von alten Meistern gelernt? Wolfgang Amadeus Mozart und Steve Jobs hatten Vorbilder, die sie genau studiert haben. Darf es nur dem Menschen vorbehalten sein, aus Beispielen zu lernen? Warum soll das eine Maschine nicht dürfen? Noch dazu, wenn diese dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist!

Der Mensch hat die besondere Fähigkeit zur Kreativität über einen sehr langen Zeitraum im Rahmen der Evolution entwickelt. Die Maschinen werden das viel schneller tun. Aktuelle Denkmaschinen mögen sich ihrer selbst noch nicht bewusst sein, sie können nicht fühlen und verfügen auch nicht über emotionale Intelligenz, die uns Menschen ausmacht.

Ich zweifle aber nicht daran, dass intelligente Maschinen immer mehr von unseren menschlichen Eigenschaften imitieren und eines Tages so etwas wie ein Bewusstsein entwickeln können. Und wenn dieses – in der Literatur oft als „Singularität“ bezeichnete – Ereignis eintritt, wird die Künstliche Intelligenz durch ihre enorme Speicherkapazität, ihre übermenschliche Geschwindigkeit und ihre Möglichkeit, weltweit vernetzt zu handeln, den menschlichen Geist weit überflügeln.

Damit stünden wir vor einer großen historischen Herausforderung. Werden die Denkmaschinen dann Schwestern und Brüder sein, Sklaven oder Herrscher? Werden wir miteinander konkurrieren? Oder werden wir uns ergänzen? Werden wir die KI zur Ideenfindung einsetzen? Wird sie die großen Probleme der Menschheit lösen?

Eines steht fest. Eine selbstbestimmte, superintelligente Künstliche Intelligenz würde sich in atemberaubender Geschwindigkeit weiterentwickeln, unsere Gesellschaft komplett umkrempeln und nachhaltige Auswirkungen auf die menschliche Kultur haben - mit allen positiven und negativen Konsequenzen. Damit stünden wir vor einer technologischen Revolution, wie sie die Menschheit noch nicht gesehen hat.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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