Was passiert, wenn wir uns den Maschinen auf menschlicher Ebene nähern?

Ein Expertinnenbeitrag von Anna Henschel, University of Glasgow
Wir haben schon immer gerne von einer automatisierten Zukunft geträumt. Isaac Asimov, ein Science-Fiction Urgestein, hat insgesamt über 30 Kurzgeschichten zu dem Thema geschrieben. Alle haben eines gemein: intelligente Roboter leben, mehr oder weniger friedlich, mit den Menschen zusammen. Die soziale Interaktion mit Robotern ist auch ein zentrales Thema meiner Forschung an der University of Glasgow. Was passiert, wenn wir uns den Maschinen auf menschlicher Ebene nähern?  Und was steckt hinter dem Begriff „soziale Roboter“?

Anna Henschel ist Doktorandin an der University of Glasgow und Mitglied der Arbeitsgruppe „Social Brain in Action “. Nach einem Bachelor of Science in Psychologie an der Universität Konstanz und einem Master in Kognitiver Neuropsychologie an der VU University Amsterdam, forscht sie jetzt an der Schnittstelle von Mensch-Roboter Interaktion, Neurowissenschaften und Psychologie. Neben ihrer Forschungsarbeit schreibt und editiert sie für diverse Blogs und Onlinemagazine, mit einem Fokus auf Wissenschaftskommunikation und der Vertretung offener Forschungsprinzipien.

Twitter: @AnnaHenschel

 

 

Eine Verfolgungsjagd die in die Geschichte einging

Schon die PsychologInnen Fritz Heider und Marianne Simmel fanden in ihrer Studie von 1944, dass Versuchspersonen geometrischen Figuren menschenähnliche Eigenschaften zuschrieben. Nachdem diese Versuchspersonen einen Videoclip der Figuren sahen, beschrieben sie die dargestellte Szene als Verfolgungsjagd und bezeichneten das kleine Dreieck und den Kreis gar als Liebespaar. Mit minimalen Hinweisen auf einen biologischen Ursprung der Bewegung gelang es den Forscherinnen und Forschern eine Brücke zu unserer menschlichen Erfahrung zu schlagen.

„If it walks like a duck, …“

Auf ähnliche Weise sind die sogenannten sozialen Roboter angelegt: sie haben eine menschenähnliche Form, bewegen sich auf eine Weise, die uns fast natürlich erscheint und, je nach Modell, sprechen sie sogar mit uns. Wir blicken durch unsere anthropomorphe Brille und sehen den Roboter als potentiellen Ansprechpartner, vielleicht sogar als Freund oder Kollegen. Doch wo zieht unser Gehirn eine Grenze zwischen Menschen und Maschinen? Das Feld der Mensch-Roboter Interaktion erforscht, welche Verhaltensweisen der Maschinen unser soziales Gehirn aktivieren können.

Basierend auf den Erfahrungen, die wir in der Psychologie gewonnen haben, fangen wir an zu verstehen, warum sich Mensch und Roboter manchmal nicht ganz grün sind. Ein wichtiger zwischenmenschlicher Klebstoff ist zum Beispiel die Synchronisierung von Gestik und Mimik. In unserer neuen Studie fanden wir jedoch, dass die Synchronisierung von Bewegungen mit dem „Pepper“ Roboter ihn nicht wie erwartet freundlicher, intelligenter oder menschenähnlicher erscheinen ließ.

Zauberer und Geister

Die künstliche Intelligenz dieser käuflich erwerblichen Roboter, also die Software, die in den Maschinen steckt, ist noch nicht so weit, dass wir ihnen in unseren Experimenten freien Lauf lassen können. Pepper zum Beispiel hat Schwierigkeiten mit schlechten Lichtverhältnissen und mit starken Akzenten (dies ist besonders in Schottland ein Problem). Daher haben wir tief in die Trickkiste gegriffen und kontrollieren über einen Computer alles, was der Roboter sagt und jede kleinste Bewegung, die er macht. Da das an die berühmte Geschichte von L. Frank Baum erinnert, spricht man von der „Wizard-of-Oz“ Technik. Alles, um den Eindruck zu erwecken, es steckt ein „Geist in der Maschine“.

Überall auf der Welt arbeiten Wissenschaftleinnen und Wissenschaftler fieberhaft daran, die Hard- und Software der Roboter zu verbessern, sodass diese „Wizard-of-Oz“ Methode irgendwann überflüssig wird. Die Verheißung lautet: soziale Roboter sollen unsere Einsamkeit lindern, uns zum Sport motivieren, im Alltag aushelfen und uns im Fall einer Krankheit zur Seite stehen. Aber bis diese Vision Realität wird, muss noch viel geschehen und Pepper erstmal an dem schottischen Dialekt arbeiten.

 

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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