Kurz und Knapp

  • Ein Ulmer Informatiker hat einen Algorithmus entwickelt, der moderne Kunst produziert.
  • Er hat ihn dafür mit Hunderten historischer Steinmetzzeichen gefüttert, mit denen Handwerker ihre Arbeit signierten.
  • Aus den Regeln und Gesetzmäßigkeiten dieser Zeichen kreiert die Software neue Kunstwerke.

Spezieller Algorithmus produziert digitale Designs

Der Ulmer Informatiker Thom Frühwirth hat einen Algorithmus entwickelt, der moderne digitale Kunst schafft. Dafür hat ihn der Wissenschaftler mit Hunderten von alten Steinmetzzeichen „gefüttert“. Frühwirth kann sich auch vorstellen, sein Programm auf andere Kunstrichtungen zu übertragen.
Handwerker haben jahrtausendelang ihre Arbeit mit Steinmetzzeichen gekennzeichnet; in mittelalterlichen Kirchen, Klostern oder Kathedralen finden sich zum Beispiel diese Signaturen. „Für die Markierungen wurden meistens Muster aus geraden Linien und Bögen verwendet, die mit Hilfe von Zirkel und Lineal konstruiert werden können“, sagt Frühwirth, der den sogenannten VanDeGraphGenerator+ (VdGG+) neben seiner Arbeit als Professor am Institut für Softwaretechnik und Programmiersprachen der Universität Ulm programmiert hat.

Die Gesetzmäßigkeiten und Regeln, nach denen die Zeichen damals gestaltet wurden – Strichlängen, Winkel, Größenverhältnisse und Anordnungen –, lernte sein Algorithmus anhand Hunderter mittelalterlicher Steinmetzzeichen. Jetzt kann KI eigene, neue Strukturen schaffen: Diese werden mit Hilfe der Software nach künstlerischen Gestaltungsprinzipien zu farbigen Bilddesigns umgewandelt. Linien werden verdickt, Flächen mit Farbe gefüllt und bestimmte Strukturen vom Computer aufgegriffen und rechnerisch fortgeführt. „Das Verfahren basiert also auf einer Mischung aus Zufall und Notwendigkeit“, berichtet der an Kunst und Geschichte interessierte Frühwirth.

Überrascht haben ihn die von VdGG+ geschaffenen Kunstwerke, die ihn an zeitgenössische abstrakte Kunst beispielsweise von Piet Mondrian oder Frank Stella erinnern. Einige Werke
könnten in künstlerischen Traditionen der Moderne wie Op Art, De Stijl oder Bauhaus stehen, andere haben etwas Origami-haftes. „Wie ein neugieriges Kind zerlegt unser Programm die Vorlagen und sucht nach strukturellen Gesetzmäßigkeiten, um dann nach diesen Regeln neue Kunstwerke zu schaffen“, erklärt der Ulmer Informatiker. Seine Software hat er nach dem Physiker Robert Van den Graaff benannt, dessen Bandgenerator mechanische in elektrische Energie umwandelt, also ebenfalls aus etwas Bestehendem etwas Neues macht.

Frühwirth will nicht ausschließen, den Generator in Zukunft zum Beispiel auf auf das kulturelle Erbe Japans oder die islamische Kunst zu übertragen. „Sehr reizvoll fände ich es, den Computer nach den Gestaltungsregeln der japanischen Blumensteckkunst Ikebana suchen zu lassen oder ihn dazu zu bringen, digitale Werke hervorzubringen, die wie die islamische Kunst geprägt ist von Muster, Symmetrie und Ornamentik“, sagt der Informatiker, der sich auch als Partner im Wissenschaftsjahr 2019 engagiert.

09.07.2019

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