Kurz und Knapp

  • Es klingt wie Science-Fiction: Menschen steuern allein durch Gedanken einen elektrischen Rollstuhl. Dies wird gerade bei einem Projekt im Bergmannsheil in Bochum getestet.
  • Eine internationale Forschungsgruppe arbeitet an einem Brain-Computer-Interface (BCI), das elektrische Gehirnimpulse in Steuerungsbefehle übersetzt.
  • Künstliche Intelligenz sorgt dabei für die erforderliche Sicherheit: Sie überwacht die Route des Rollstuhls und stoppt ihn bei Gefahr automatisch.

Brain-Computer-Interface übersetzt Gehirnimpulse in Steuerungsbefehle

Ein Bild wie aus einem Science-Fiction-Film: Menschen, die ihren Rollstuhl Kraft ihrer Gedanken steuern können. In einem Forschungsprojekt des Universitätsklinikums Bergmannsheil in Bochum wird gerade getestet, wie ein sogenanntes Brain-Computer-Interface (BCI) querschnittgelähmten Menschen neue Möglichkeiten der Mobilität eröffnen kann.
Die internationale Arbeitsgruppe der Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil entwickelt ein System, das die elektrischen Gehirnimpulse des Fahrers oder der Fahrerin erfasst, sie in Steuerungsbefehle übersetzt und somit einen Elektrorollstuhl bewegt – und zwar genau so, wie es sich der Fahrer oder die Fahrerin zuvor vorgestellt hat.

Die ersten Patienten und Patientinnen haben das Training mit dem BCI-System bereits erfolgreich absolviert: Anschließend waren sie in der Lage, einen Parcours mit verschiedenen Richtungswechseln und Hindernissen erfolgreich im Rollstuhl zu befahren.

Und so funktioniert das System: Durch eine Enzephalographie-Haube (EEG) auf dem Kopf wird die elektrische Hirnaktivität gemessen. Dann müssen Mensch und Maschine in einem Training voneinander lernen, welcher Impuls mit welcher Bewegungsidee verknüpft ist. Das System gleicht dann die unterschiedlichen Aktivitätsmuster des Ruhezustandes und der jeweiligen Bewegungsidee miteinander ab. So „lernt“ das BCI-System, die vorgestellte Bewegung zu erfassen und sie in einen Steuerungsbefehl zu übersetzen. Wenn die Anwender oder Anwenderinnen sich vorstellen, sie bewegen die Hände, fährt der Rollstuhl nach rechts, wird an eine Bewegung der Füße gedacht, fährt er nach links. Denkt man weder an das eine noch das andere, fährt der Rollstuhl geradeaus.

Um die Sicherheit der Fahrer und Fahrerinnen zu gewährleisten, kann der Rollstuhl im Bedarfsfall selbst stoppen. Dies funktioniert dank Künstlicher Intelligenz. An der Vorderseite des Rollstuhls befinden sich eine Infrarot-Kamera und ein Laserscanner. Diese Systeme generieren zwei 3-D-Karten, die miteinander verknüpft werden. Die eine beschreibt die beabsichtigte Route, die andere erfasst die Hindernisse, die sich auf der Zielroute befinden. Wenn der Fahrer oder die Fahrerin auf ein Hindernis zusteuert und eine Kollision droht, stoppt der Rollstuhl von selbst.

„Noch ist unser Projekt reine Grundlagenforschung“, sagt Ramón Martínez-Olivera vom Bergmannsheil. „In Zukunft aber könnten querschnittgelähmte Menschen, die weder Beine noch Arme bewegen können, mit einem solchen System ein großes Stück Selbstbestimmung und Mobilität zurückgewinnen.“

Das Bergmannsheil habe bereits vor Jahren damit begonnen, den therapeutischen Nutzen eines hybriden Exoskeletts für die Rehabilitation querschnittgelähmter Menschen zu erforschen. „Dank der Kooperation mit der Technischen Hochschule Lausanne können wir mit dem BCI-Projekt jetzt ein weiteres hochspannendes Forschungsfeld erschließen, das künftig die Medizin revolutionieren wird“, ist sich der Ärztliche Direktor Thomas Schildhauer vom Bergmannsheil sicher.

24.06.2019

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