App zur Verhinderung von Therapieabbrüchen

Überforderung, Verzweiflung, Selbsthass – für viele Menschen, die an einer Borderline- oder posttraumatischen Belastungsstörung leiden, gehören solche Gefühle zum Alltag. Auch wenn die Behandelnden großes Fingerspitzengefühl aufbringen, münden viele Therapien im Abbruch. Eine App soll helfen, das zu verhindern.

Informatik trifft Psychologie: Im Rahmen des Projekts „DBT-Benchmarking“ haben Forschende der Hochschule Darmstadt digitale Hilfsmittel für die Psychotherapie entwickelt. Das von dem Informatik-Professor Bernhard Humm geleitete Konsortium soll Kranke und Psychotherapeutinnen und -therapeuten in der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) unterstützen, einer speziellen Form der Psychotherapie. Es nutzt dazu Methoden des Machine Learning und Digitalisierung von Abläufen.

Gemeinsam mit Mannheimer Fachleuten für Psychotherapie entwickelten die Wissenschaftler mit der App ein Modell, über das sich das Risiko von Therapieabbrüchen voraussagen lässt. Viele Kranke leiden an derart starkem seelischen Druck, dass sie die anstrengende therapeutische Beschäftigung mit ihrem Problem beenden wollen. „DBT-Benchmarking“ soll Psychologinnen und Psychologen künftig in die Lage versetzen, die Problematik rechtzeitig anzusprechen, um einen Abbruch zu vermeiden.

In der App können Betroffene Fragen zu ihrem aktuellen seelischen Zustand beantworten. Was sie bislang in Papierfragebögen beantworten sollten, können sie nun am Smartphone erledigen. Solche Abfragen sind fester Bestandteil der Dialektisch-Behavioralen Therapie. Sie helfen, den Therapieverlauf zu überwachen, zu analysieren und anzupassen. Zudem ermöglicht die App, ein digitales Tagebuch zu führen. Die Software wurde bereits beim Projektpartner Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und an zwei Kliniken getestet. Nach Aussagen der Patientinnen und Patienten verschafft die Anwendung einen besseren Überblick über die Therapie und bestärkt sie darin, bestimmte Aspekte in der Therapiesitzung anzusprechen. Die Ausfüllrate der digitalen Fragebögen liegt mit 80 bis 85 Prozent deutlich höher als die auf Papier.

Der lernende Algorithmus verarbeitet anschließend die Eingaben, um Muster für Therapieabbrüche zu erkennen. Ziel ist es, eine Vorhersagegenauigkeit von 80 Prozent zu erreichen. Über die Software-Architektur ist nach Angaben der Anbieter der Schutz der sensiblen Daten sichergestellt. Die App trennt die Personennamen von den medizinischen Daten und speichert keine persönlichen Angaben. Trotzdem können sich Patienten und Therapeutinnen die Auswertung in der Therapiesitzung gemeinsam ansehen. Die eigens programmierte Spracherkennung wird noch weiterentwickelt. Sie soll künftig an Parametern wie der Stimmhöhe oder der Wortfrequenz erkennen können, wie es den zu behandelnden Personen geht.

Das Land Hessen hat das Projekt bis Ende 2018 mit 300.000 Euro für Personal- und Sachkosten unterstützt. Die hessisch-badische Zusammenarbeit von Psychologie und Informatik soll fortgeführt werden.

07.03.2019