Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Sicherheit

Warum funktioniert Propaganda so gut?

09.06.2022
Kurz und knapp

Es ist eine „Frage Deiner Zeit“: Insbesondere, wenn Krieg herrscht, ist die Öffentlichkeit oft einer Propaganda der beteiligten Staaten ausgesetzt. Wenn es um Sieg oder Niederlage ihrer Nation geht, arbeiten Regierungen mit gezielter Desinformation, um den Feind zu verwirren und sich den Rückhalt der eigenen Bevölkerung zu sichern. Doch auch in Friedenszeiten kann geschickte politische Propaganda ihre Betreibenden an die Macht bringen – wenn die Umstände ihnen in die Hand spielen.

Propaganda ähnelt einem Tango

Propaganda ist der Versuch, das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen gezielt zu beeinflussen. Im Grunde nichts Schlimmes: Werbung etwa lebt davon, Menschen von einer Idee zu überzeugen. Sie wollen möglichst viele dazu bringen, ein Produkt zu kaufen.

Durchgesetzt hat sich in den vergangenen hundert Jahren jedoch die eher negative Bedeutung des Begriffes: Mit Propaganda verbinden wir eine gezielte Manipulation der Öffentlichkeit mit Psychotricks, dreisten Lügen und Einsatz der Massenmedien – bis hin zur Kriegstreiberei. Die Nazis im Dritten Reich waren da gewissermaßen stilbildend.

Doch ob Propaganda greift, komme auf die Umstände an, sagen Fachleute. Sie gleiche einem Tangotanz: Es braucht jemanden, der führt – aber auch jemanden, der sich führen lässt.

Ein Propagandist, der Erfolg haben will, muss deshalb Themen und Haltungen der Bevölkerung aufgreifen, die ohnehin in ihr schlummern. Menschen suchen stets nach Bestätigung ihrer Weltanschauung. Das gibt ihnen ein gutes Gefühl. Sie von etwas völlig neuem zu überzeugen, das ihrem Weltbild nicht entspricht, ist dagegen schwer. „Wenn also in einem Land gerade viele denken, es geht alles vor die Hunde, und dann kommt jemand, der sagt ‚ja genau, alles geht vor die Hunde, aber ich verstehe Euch und habe die Lösung‘, dann hört sich das für die Menschen erstmal besser an“, erläutert Lena Frischlich, Psychologin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster.

Die Vernunft wird beiseitegeschoben

Rationale Argumente – etwa die wahren Gründe für die Misere oder ob die Lösung tatsächlich Erfolg verspricht – spielen keine große Rolle. Viel wichtiger ist es, die Menschen emotional zu packen: Wenn sie sich in ihrer aktuellen Situation gedemütigt, hoffnungslos und wütend fühlen, sind sie empfänglich für ermutigende Propaganda, die die Schuld dafür anderen zuschiebt und ihnen sagt, wie toll sie sind. Das war zum Beispiel im Deutschland der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts der Fall: Adolf Hitler baute die Deutschen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit markigen, großspurigen Worten wieder auf – nur um sie in den nächsten Weltkrieg zu führen.

Dabei weckte er auch die Skepsis gegenüber Fremden und Andersartigen, die in uns evolutionär tief verankert ist. „Der Andere“ ist bei Propagandisten immer der Böse, den es zu bekämpfen gilt – ob das der Kriegsfeind ist, der Andersgläubige oder die Elite im Staat, die „uns“ unterdrückt.

Das ist heute im Grunde nicht anders als vor hundert Jahren. Wobei die komplizierte moderne Welt viele zusätzlich verunsichert: „Studien zeigen: Wenn Menschen glauben, die Kontrolle zu verlieren, womöglich existenzielle Ängste haben, dann sind für sie Weltanschauungen, die alles in Gut und Böse gliedern, besonders verführerisch“, sagt Lena Frischlich. Ordnen sie sich ohnehin gern Autoritäten unter, so folgen sie den Propagandisten oft blind. Oder sie tun sich in Gruppen Gleichgesinnter zusammen, in denen sie sich geborgen fühlen.

Ein Propagandastaat unterdrückt jede Kritik

Bei Kriegspropaganda kommt die „Soldatenmatrix“ hinzu, wie der israelische Psychologe Robi Friedman das nennt: Wer Angst hat, Strukturen von Befehl und Gehorsam gewohnt ist, gleichzeitig aber nach Ruhm und Ehre strebt, neige zur „Überidentifikation“ mit der kriegsführenden Macht. Gefühle wie Scham, Schuld und Mitgefühl, die Aggressionen hemmen könnten, verlieren an Bedeutung. Nicht nur für Soldatinnen und Soldaten, sondern auch für andere Bürgerinnen und Bürger.

Gefestigte Demokratie schützt vor Propaganda

Kritiker werden beseitigt, Medien gleichgeschaltet, Führungspositionen mit Ja-Sagern besetzt – so läuft das in Propagandastaaten auch heute noch. In gefestigt demokratischen, pluralistischen Gesellschaften dagegen, wie sie Deutschland heute darstellt, habe Propaganda auf Dauer wenig Chancen, glauben Fachleute: „Wir haben uns von ihr relativ stark abgewendet – auch in der Werbung“, sagt Martin Emmer. Unser Mediensystem ist vielfältig, der Journalismus unabhängig, Verbraucherschutz und politische Bildung werden staatlich gefördert, die Meinungsfreiheit als Grundrecht hoch gehalten. Die neuen sozialen Medien böten zwar Räume für sogenannte Filterblasen, so Emmer. „Aber Studien haben gezeigt, dass Menschen, die im Netz unterwegs sind, meist auch mit anderen Meinungen in Berührung kommen. Ein solcher Marktplatz der Meinungen immunisiert eine Gesellschaft eher gegen Propaganda.“ Im Idealfall entlarvt die kritische Öffentlichkeit Propaganda frühzeitig – und überzeugt die Menschen, dass die neue Führungsfigur gar keine Lösung hat.

Die Seite der Bundeszentrale für Politische Bildung bietet jede Menge Infos über Propaganda. 

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