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Gibt es Forschungsansätze, die Lichtgeschwindigkeit zu überwinden?

10.05.2022
Kurz und knapp

Wenn wir jemals andere Sonnensysteme in überschaubarer Zeit erreichen wollen, müssen wir mit Lichtgeschwindigkeit reisen – oder schneller. Einsteins Relativitätstheorie sagt jedoch, dass kein Objekt mit Masse je auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden kann. Doch seine Formeln, die die Physik des Weltalls mit seiner gekrümmten Raumzeit beschreiben, lassen einige Schlupflöcher zu. Die Frage ist, ob wir sie jemals werden nutzen können.

Ist eine Reise zu anderen Sternen möglich?

Eins ist klar: Wer langsamer fliegt als das Licht, wird ein anderes Sternensystem nie in akzeptabler Zeit erreichen. Schon der allernächste Stern, Proxima Centauri, ist so weit weg, dass das Licht trotz seiner knapp 300.000 Kilometern pro Sekunde über vier Jahre braucht, um dort hinzugelangen. Mit den üblichen chemischen Treibstoffen bräuchte ein Raumschiff zehntausende Jahre.

Albert Einsteins Relativitätstheorie, die durch zahllose Experimente belegt ist, hat uns klar gemacht, dass kein Objekt mit Masse an das Tempo des Lichts heranreichen kann. Je näher es dem kommt, desto größer wird der Energieaufwand, weiter zu beschleunigen. Am Ende ist er unendlich groß – egal, ob es sich dabei um ein Raumschiff oder ein Elementarteilchen handelt.

Dennoch gibt es Ideen, wie man theoretisch schneller als Licht durchs All reisen könnte. Nämlich indem man Abkürzungen nimmt. Laut Einstein ist die Raumzeit nicht statisch, sondern durch große Massen verzerrt. Stellt man sich das Universum mit seinen vier Dimensionen als gespanntes Gummituch vor, so ist dieses also nicht flach, sondern gewellt und verbeult durch Gewichte, die auf ihm liegen. Denkbar sind sogar Verzerrungen, die aus der Fläche eine Kugel machen. Will man nun von einer Seite der Kugel zur anderen, kann man auf der gebogenen Fläche entlanglaufen – oder eben mitten hindurchstoßen. Wie ein Wurm, der ein Loch durch einen Apfel bohrt. Daher der Begriff „Wurmloch“.

Abkürzungen durch die Raumzeit

Wie ein solches Phänomen zu produzieren wäre, ist vollkommen unklar. Aber Einsteins Formeln lassen die Möglichkeit zu. Dem ähnelt das Konzept des Hyperraums: Wenn das Universum mehr als vier Dimensionen hat, wäre es denkbar, durch eine weitere Dimension – den „Hyperraum“ – abzukürzen, um von einem Punkt zu einem anderen zu gelangen.

Eine andere Variante der Raumzeitverzerrung wäre der Warp-Antrieb. Den Begriff kennen viele aus der Science-Fiction-Serie Star Trek. 1994 hat der mexikanische Physiker Miguel Alcubierre jedoch vorgestellt, wie so etwas vom Prinzip her tatsächlich funktionieren könnte: Man müsste den Raum vor dem Raumschiff stauchen und den hinter ihm strecken. Als würde ein unsichtbarer Finger auf das flache Gummituch tippen und mit Kraft nach vorn schieben: Auf der Vorderseite wird das Tuch gestaucht, auf der Rückseite gedehnt. Bei gleichem Tempo würde das Raumschiff nun also größere Teile des vor ihm liegenden Raums überbrücken. So kann es von außen betrachtet schneller als das Licht werden, obwohl es selbst nicht so schnell ist.

Der Haken daran: Bereits um die notwendige Raumzeitkrümmung für nur ein kleines Raumschiff zu bewerkstelligen, so berechnete Alcubierre, bräuchte man mehr Materie als das gesamte Universum beinhaltet. Zwar ersannen andere Forschende Möglichkeiten, diesen Bedarf auf erreichbare Mengen zu senken. Doch es gibt noch einen weiteren Haken: Die Materie müsste exotischer Natur sein und negative Energie besitzen. „Wir haben jedoch keine Ahnung, wie man negative Energie in ausreichender Menge herstellen kann“, sagt Martin Tajmar, Professor für Raumfahrtsysteme an der Universität Dresden.

Der Warp-Antrieb braucht negative Energie

Immerhin gibt es Hinweise, dass sie existiert. Den Casimir-Effekt etwa: Wenn sich im Vakuum zwei parallele Metallplatten einander annähern, so werden sie den letzten winzigen Teil der Strecke zusammengedrückt. Das liegt daran, dass auch im Vakuum keine Nullenergie herrscht. Es entstehen laufend Teilchen und andere werden vernichtet. Ist der Abstand zwischen den Platten jedoch geringer als die Wellenlänge, bei der das passiert, so hat das Vakuum zwischen den Platten eine geringere Energie als außenherum. Im Zwischenraum herrscht ein negativer Energiezustand – allerdings in winzigem Umfang.

Auch die Tatsache, dass das Universum sich ausdehnt – und zwar an seinen Rändern mit Überlichtgeschwindigkeit, so dass uns das Licht von Galaxien jenseits des beobachtbaren Weltraums nicht mehr erreicht –, führen Physikerinnen und Physiker auf eine ominöse „dunkle Energie“ zurück. Ihre negative Wirkung treibt das All auseinander wie einen Luftballon, den man aufbläst: die auf ihm haftenden Staubteilchen – die Galaxien – entfernen sich immer weiter voneinander, obwohl sie selbst sich nicht bewegen. „Wenn wir herausbekommen, was diese dunkle Energie verursacht – ob das ein bislang unbekanntes Teilchen ist oder was auch immer“, sagt Martin Tajmar, „dann könnten wir das womöglich nutzen.“

 

Eins haben alle diese Ansätze gemeinsam: Sie anzuwenden ist noch fern jeder Realität. Zwar behaupten einzelne Forschende ab und an, einen Schritt weitergekommen zu sein. Vergangenes Jahr stellte etwa der US-Physiker Erik Lentz an der Universität Göttingen die Theorie auf, auch mit der positiven Energie spezieller kompakter Wellen – sogenannten Solitonen – eine Raumzeitkrümmung im Sinne des Warp-Antriebs herstellen zu können. Doch andere Forscher bezweifeln seine Berechnungen. „Der Medienhype um diese Studie war übertrieben“, meint Tajmar.

Dennoch: Es sei nicht auszuschließen, dass schon morgen jemand die entscheidende Entdeckung mache, betont der Forscher. Womöglich brächten uns auch Nanotechnologie oder Vakuum-Engineering in der Frage weiter. „In der Physik kann es immer Überraschungen geben.“

Ein Video, das erklärt, wie der Warp-Antrieb laut Alcubierre funktionieren könnte, finden Sie hier.

Ein Video von Astrophysiker Harald Lesch über mögliche Reisen mit Lichtgeschwindigkeit und die Folgen der Relativitätstheorie finden Sie hier.

 

Inspirierende Fragen

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Mister-BodoBayern26.02.2022