Gesundes Leben, Medizin, Pflege

In welcher Sprache denkt ein Mensch, der von Geburt an taub ist?

27.04.2022
Kurz und knapp

Alle Menschen denken erstmal unabhängig von Sprache, denn Denken ist ein inneres mentales Konstrukt. Wenn Sie sich an Ihren letzten Urlaub erinnern, werden Sie das in Bildern tun und nicht mit Sprache. Doch alles Abstrakte wäre ohne Sprache wohl kaum vorstellbar. Wir denken also effektiver mit Sprache. Allerdings spielt es keine Rolle, ob wir dabei eine Laut- oder eine Gebärdensprache nutzen, Hauptsache wir haben eine.

Denken und Sprache

Seit jeher treibt die Wissenschaft die Frage um, in welcher Beziehung Sprache und Denken stehen. Wilhelm von Humboldt zum Beispiel prägte Anfang des 19. Jahrhunderts den „sprachlichen Relativismus”. Überspitzt bedeutet der Begriff, dass unser Denken von der Sprache geformt und begrenzt ist. Was würde demnach für gehörlos geborene Kinder gelten, die vermeintlich gar keine Sprache haben. Denken sie nicht?
„Selbstverständlich nutzen gehörlose Menschen Sprachen“, wendet Barbara Hänel-Faulhaber ein, Expertin für Gebärdensprachpädagogik an der Universität Hamburg. Bis zu 200 Gebärdensprachen sind in den vergangenen Jahrhunderten entstanden, eine davon ist die Deutsche Gebärdensprache, kurz DGS. Doch Sprache hin oder her: „Heute sind wir soweit zu sagen: Wir denken unabhängig von Sprache, erstmal“, erläutert die Wissenschaftlerin.

Die Gedanken sind frei

Tatsächlich wissen wir das auch aus unserem Alltag: Wenn wir uns an zurückliegende Ausflüge oder Treffen mit Freunden erinnern, tun wir das häufig nicht mit Worten, sondern in Bildern. Wir merken auch, dass Sprache wenig taugt, wenn wir Figuren im Kopf drehen müssen, eine beliebte Aufgabe in Intelligenztests.

Denken ist also ein inneres mentales Konstrukt. „Wir Menschen verfügen über eine Gedankensprache“, so die Expertin, „ganz gleich, ob wir gehörlos sind oder nicht.“ Der Kognitionswissenschaftler und Linguist Steven Pinker nennt diese Sprache „Mentalesisch”. Taube denken also grundsätzlich in der gleichen Sprache wie Menschen, die hören. Sie drücken sich nur anders aus, nämlich mit Gebärden.

Und dennoch hilft uns die Sprache beim Denken. Sie macht es effizienter: Alles Abstrakte, ein großer Teil des wissenschaftlichen Denkens ist ohne Sprache kaum vorstellbar. Es spielt aber keine Rolle, ob wir dabei die Laut- oder Gebärdensprache nutzen – Hauptsache wir haben eine Sprache.

 

Weitere Informationen:

Wie funktioniert Gebärdensprache? Infos finden Sie in diesem Artikel.

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