Innovation, Technik, Arbeit

Ist die Kernreaktion in Tschernobyl heute erloschen?

09.12.2022
Kurz und knapp

Am 26. April 1986 explodierte der vierte Reaktor des Atomkraftwerks Tschernobyl – es kam zum Super-GAU, dem größten anzunehmenden Unfall mit weitreichenden Folgen für Mensch und Umwelt. Mittlerweile umgibt eine dichte, schützende Hülle den Unglücks-Meiler. Doch die Gefahr wird die Menschheit noch lange beschäftigen.

Die Folgen der Explosion

Bei dem Unfall in Tschernobyl wurden große Mengen radioaktiven Materials freigesetzt, das sich vor allem über der Ukraine, der Russischen Föderation und Belarus verteilte. Radioaktive Stoffe wie Jod und Cäsium wurden vom Wind bis nach Deutschland getrieben und lagerten sich unter anderem auf erntereifem Gemüse und Weideflächen ab.

In den Gebieten mit der höchsten Strahlenbelastung lebten zu der Zeit an die sieben Millionen Menschen. „Zu der Zahl der durch den Tschernobyl-Unfall verursachten Todesfälle und der zu erwartenden zusätzlichen Todesfälle infolge von Krebserkrankungen gibt es sehr unterschiedliche Angaben und eine bis heute andauernde erbitterte Debatte”, schreibt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) auf seiner Internetseite.

 

Die neue Schutzhülle

Seit 2016 dichtet den Unglücks-Reaktor ein neuer „Sarkophag“ ab, weil die ursprüngliche Schutzhülle gravierende Mängel aufwies. Doch die Gefahr ist längst nicht gebannt. Messungen weisen darauf hin, dass Kernreaktionen in den Trümmern zunehmen. Dabei spalten sich Urankerne, setzen Neutronen frei und geben Energie ab. Laufen diese Prozesse kontrolliert in Brennstäben ab, kann die sogenannte Kernenergie zur Stromerzeugung genutzt werden. Doch die Brennelemente von Reaktor vier wurden bei der Explosion vor mehr als 36 Jahren zerstört.

Heute befinden sich in dem havarierten Meiler noch immer 95 Prozent des ursprünglichen Reaktorbrennstoffs, rund 170 Tonnen Uran. Er hat sich mit den Gebäudetrümmern vermischt. Die Masse floss in den Keller und verfestigte sich dort. Jahrelang drang Feuchtigkeit ein, doch seitdem die neue Schutzhülle den Reaktor umgibt, trocknet das brennstoffhaltige Material – womöglich ist gerade dies der Grund dafür, dass die Kernspaltungen in einem unzugänglichen Raum nun zunehmen.

 

Wieder mehr Kernreaktionen im Reaktor

Hinweise darauf haben Fachleute vom Institut für Sicherheitsprobleme von Kernkraftwerken (ISPNPP) in Kiew gewonnen. Mit Sensoren konnten sie eine steigende Anzahl von Neutronen messen. Die freiwerdenden Neutronen führen dazu, dass immer mehr Uranatome zerfallen. Befinden sich die Atomkerne dicht beieinander – und dies ist in dem havarierten Reaktor vermutlich der Fall – kann es zu einer Kettenreaktion kommen, die zu starker Erwärmung und zur Kernschmelze führt. Ob diese Prozesse von alleine nachlassen, oder sich exponentiell beschleunigen und womöglich einen weiteren Unfall verursachen, konnten die Fachleute noch nicht klären. Dass sich die Explosion von 1986 wiederholt, gilt jedoch als unwahrscheinlich.

 

Der österreichische Sender ORF zeigte 2021 in der Reihe „zeit.geschichte“ eine US-Dokumentation über das Reaktorunglück

Inspirierende Fragen

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Anonym28.06.2022