Gesundes Leben, Medizin, Pflege

Kann die sexuelle Orientierung manipuliert werden?

17.01.2023
Kurz und knapp

Nach Aussage von Fachleuten gibt es keinerlei wissenschaftlich fundierte Hinweise, dass die sexuelle Orientierung des Menschen durch Manipulationsversuche dauerhaft verändert werden kann. Vielmehr gibt es deutliche Hinweise darauf, dass solche Manipulationsversuche die Risiken für Depressionen und Angstzustände bis hin zu Selbstmord steigern.

Konversions- und Aversionstherapie

Die gezielte Manipulation von insbesondere homosexueller Orientierung ist unter dem Begriff „Konversionstherapie“ bekannt. Solche Eingriffe sind sehr umstritten, werden in manchen Ländern der Welt aber dennoch angewendet. In Deutschland ist die Konversionstherapie an Minderjährigen, die nicht wirksam eingewilligt haben, sowie an nicht-einwilligungsfähigen Erwachsenen verboten. Öffentliche Werbung dafür wird als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Bei der Konversionstherapie handelt es sich um eine Behandlung, deren Befürworterinnen und Befürworter oft den (besonders in den USA verbreiteten) evangelikanischen Freikirchen und anderen fundamentalistisch geprägten Religionsbewegungen nahestehen. Der wissenschaftliche Oberbegriff für Praktiken, die zur Manipulation von sexueller Orientierung eingesetzt werden, lautet „Sexual Orientation Change Efforts“ (SOCE).

Die heute in der Psychotherapie eingesetzten Konversionsmethoden beinhalten Strategien, um Menschen zur Anpassung an konventionelle Geschlechterrollen zu erziehen, Strategien zur Vermeidung homosexueller Gedanken, die biografische Suche nach vermeintlichen Ursachen der sexuellen Orientierung sowie religiöse Praktiken wie Gebete oder sogar Teufelsaustreibungen. Noch bis ins 20. Jahrhundert wurden in Europa und den USA allerdings auch so genannte „Aversionstherapien“ praktiziert, die mit Elektroschocks und Brechmitteln arbeiteten sowie mit Hormon- und medikamentösen Eingriffen.

 

Behandlungen ohne nachhaltigen Erfolg

Die Erfolgsbilanz der Sexual Orientation Change Efforts ist nahe Null: „Insgesamt lässt keine der uns bekannten Studien den Schluss zu, dass die sexuelle Orientierung durch SOCE dauerhaft verändert werden kann. Verändert werden können bestenfalls Einzeldimensionen der sexuellen Orientierung, wie etwa gleichgeschlechtliche Verhaltensweisen oder die Berichte über sexuelle Anziehung oder Selbst-Identifikation in der Öffentlichkeit.“ So lautet das Resümée der Autoren eines 2019 im Auftrag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld veröffentlichen Gutachtens zum Thema. Stattdessen gebe es vielmehr deutliche Hinweise darauf, dass SOCE bei den betreffenden Personen das Risiko für Depressionen, Ängste, Selbstmordabsichten, sexuelle und Beziehungsprobleme steigert.

 

Ethisch äußerst fragwürdig

Die Gründe dafür, dass der Deutsche Bundestag 2020 SOCE ohne wirksame Einwilligung des Betroffenen per Gesetz untersagt hat, liegen aber natürlich nicht nur in der Fragwürdigkeit der Wirksamkeit. Sie sind auch ethischer Natur: Homosexualität, darüber herrscht heute wissenschaftlicher Konsens, ist keine Krankheit. Deshalb besteht weder die Notwendigkeit noch die Wünschbarkeit eines therapeutischen Eingriffes. Mit dem Verbot der Konversionstherapie hat der Gesetzgeber diese Sachlage unmissverständlich anerkannt.

 

Einen guten Einstieg ins Thema bietet wie so oft die deutschsprachige Wikipedia, Eintrag „Konversionstherapie“.

Für eine ausführliche Darstellung siehe das Gutachten der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.