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Kann man aus Atommüll nachhaltig Energie gewinnen?

17.01.2023
Kurz und knapp

Aus Atommüll weitere Energie gewinnen und dabei auch noch seine Radioaktivität deutlich verringern – klingt nach einer prima Idee. Forschende hatten sie bereits in den 60er Jahren. Doch die sogenannte Transmutation, mit deren Hilfe dies gelingen könnte, ist enorm aufwändig, es braucht dazu neue, andersartige Kernreaktoren, und die Risiken sind eher noch größer als bei dem Betrieb herkömmlicher Reaktoren. Dabei hat sich Deutschland längst entschieden, die Nutzung der Atomenergie komplett aufzugeben, weil sie zu riskant ist und eben ewig strahlenden Atommüll produziert.

Was Atommüll ist

In jedem Filmbeitrag erkennt man Atommüll an den gelben Fässern mit dem eindringlichen schwarzen Symbol für Radioaktivität. Beim Inhalt kann es sich um verschiedene Dinge handeln. Etwa um Abfälle aus Krankenhäusern, die radioaktive Kontrastmittel verwenden, die Gewebe von Patientinnen und Patienten sichtbar machen. Oder um schwach- und mittelradioaktiven Abfall aus Atomkraftwerken wie etwa die kontaminierte Bekleidung des Personals. Neben diesen Müllsorten werden bis 2080 laut Prognosen der Bundesgesellschaft für Endlagerung auch rund 10.500 Tonnen hoch radioaktiven Abfalls aus Kernkraft- und Forschungsreaktoren anfallen, die wegen ihrer starken Strahlung nicht in Fässern, sondern in dick ummantelten Castor-Behältern zwischengelagert werden, um sie später in ein unterirdisches Endlager zu bringen, dessen idealen Standort die Regierung zurzeit sucht.

Ein großer Teil dieses hoch radioaktiven Abfalls sind die verbrauchten Brennelemente der Kernkraftwerke. Sie enthalten Substanzen, die mehr als 100.000 Jahre strahlen. Insbesondere handelt es sich dabei um sogenannte Transurane – das sind Stoffe mit höherer Ordnungszahl als Uran, die entstehen, wenn Uran Neutronen einfängt, anstatt dadurch gespalten zu werden. Dazu gehören zum Beispiel die Elemente Plutonium, Americium, Neptunium und Curium. Bei ihrem radioaktiven Zerfall geben sie auch Wärme ab. Abgebrannte Brennelemente sind also nach wie vor sehr energiereich.

 

Mit Neutronen umwandeln

Bereits in den 60er Jahren hatten Forschende die Idee, diese Transurane und auch das in den verbrauchten Brennelementen verbliebene Uran in einem Transmutationsreaktor einerseits zu entschärfen und andererseits weitere Energie daraus zu gewinnen. Dafür müssten Uran und Transurane zunächst aus den Brennelementen abgetrennt und in einer Wiederaufbereitungsanlage zu neuen Brennelementen verarbeitet werden. Als solche könnten sie einen sogenannten Transmutationsreaktor betreiben, in dem sie mit schnellen Neutronen beschossen werden.

Diese spalten die Transurane und verwandeln sie zum Teil in kurzlebigere oder stabile Stoffe, die nicht so lange strahlen. Der Atommüll würde dadurch also gewissermaßen harmloser: statt einiger hunderttausend Jahre müsste ein Teil des Abfalls nur noch rund tausend Jahre überwacht werden, um zu verhindern, dass er Mensch und Umwelt schädigt. Die verbleibenden Transurane müssen erneut beschossen werden, um mit jedem Beschuss einen weiteren Teil von ihnen umzuwandeln.

Das enthaltene Uran-238 dagegen verwandelt sich durch den Neutronenbeschuss zum Teil in Plutonium – im Fachjargon heißt es, das Plutonium wird „erbrütet“. Indem der Neutronenbeschuss anschließend auch dieses erbrütete Plutonium spaltet, wird eine Menge Energie frei, die man mit dem Reaktor einfangen und zur Stromgewinnung nutzen könnte.

 

Viel Aufwand und viele Risiken

Doch der Aufwand, um zu diesem Punkt zu gelangen, wäre enorm. Denn um die Geschwindigkeit der Neutronen dauerhaft hochzuhalten, muss ein solcher Transmutationsreaktor mit flüssigem Natrium statt wie herkömmliche Atomreaktoren mit Wasser gekühlt werden. Denn Wasser bremst die Neutronen ab, Natrium tut das nicht. Für diese Natriumkühlung muss ein solcher Reaktor allerdings völlig anders aufgebaut sein, eine sehr teure Neuentwicklung wäre notwendig.

Über die Forschung ist das Konzept eines solchen Reaktors bislang kaum hinausgekommen. Frankreich plante zwar lange Zeit, 2023 einen natriumgekühlten Reaktor zu bauen, in dem auch die Transmutation von Atommüll hätte erprobt werden können. Doch das Vorhaben wurde 2019 aufgegeben. Das japanische Kernkraftwerk Monju war sogar ein natriumgekühlter Brutreaktor. Wegen zweier Unfälle 2010 wurde er jedoch wieder abgeschaltet. Beide Male war es zu Natriumbränden gekommen. Das Kühlmittel brennt bei Kontakt mit Luft oder Wasser sofort; die Feuer lassen sich nur schwer löschen.

Das zeigt einen weiteren Nachteil der Transmutation: die Risiken. Auch in einem Transmutationsreaktor könnte es zu einer Kettenreaktion und damit zu einem schweren Unfall ähnlich dem in Tschernobyl kommen. Die Regelung des Reaktors ist sogar kritischer als bei herkömmlichen Atommeilern, weil die Neutronen mehr Energie haben, das Risiko ist also gewissermaßen höher. Sorgen bereitet zudem, dass das erbrütete Plutonium auch für den Bau von Atomwaffen dienen kann. Und selbst der angenehme zweite Effekt der Transmutation – das Umwandeln der Transurane in kurzlebigere radioaktive Stoffe – würde die Endlagerfrage nicht obsolet machen. Der Atommüll müsste nichtsdestotrotz sicher deponiert werden.

Unterm Strich bleiben hohe Risiken und hohe Kosten für eine noch unerprobte Technologie, die nur eingeschränkten Nutzen verspricht. Da Deutschland ohnehin aus der Atomenergie aussteigen will – im April 2023 sollen auch die letzten drei Reaktoren endgültig abgeschaltet werden –, gibt es derzeit keinerlei politische Ambitionen, die Idee weiterzuverfolgen.

 

Eine Antwort auf die Frage, was mit Atommüll geschehen kann, gibt diese Seite.