Gesundes Leben, Medizin, Pflege

Kann man das Altern aufhalten?

29.06.2022
Kurz und knapp

Wer gesund isst und sich regelmäßig bewegt, kann auf mindestens zehn Lebensjahre mehr hoffen. Auch sexuelle Enthaltsamkeit wirkt lebensverlängernd. Weil sich das aber schwer in die Tat umsetzen lässt, hoffen andere auf eine Tablette, die verjüngt. Und Forschende arbeiten tatsächlich daran.

Lang leben wie Methusalem

So alt zu werden wie Methusalem ist für manche ein Wunschtraum. Die biblische Gestalt zeugte mit 187 Jahren einen Sohn und brachte es auf sage und schreibe 969 Jahre. Laut Bibel. Der nachweislich älteste Mensch, die Französin Jeanne Calment, wurde immerhin 122 Jahre alt. Dabei ist es nicht nur der Tod, den viele fürchten. Es ist vor allem die Gebrechlichkeit, der sie gern entfliehen wollen.

Das Altwerden aber ist, ob bei Mensch, Tier oder Pflanze, eine biologische Konstante. Die Haut wirft Falten. Das Augenlicht lässt nach. Die Muskeln schwächeln und die Gelenke schmerzen. Gelerntes bleibt schlechter hängen und mehrere Sachen gleichzeitig zu erledigen, funktioniert in hohem Alter auch nicht mehr so gut.

Das Altern lässt sich ausbremsen

Lässt sich dieser Verlust an Vitalität aufhalten? Darauf geben zwei wissenschaftliche Lager unterschiedliche und gleichermaßen hoffnungsvolle Antworten. Ein klares „Ja“ kommt aus der Epidemiologie. Ein gesunder Lebensstil mit nicht zu viel und vor allem gesunder Ernährung, regelmäßiger Bewegung und Enthaltsamkeit beim Sex, verlängert das Leben um viele Jahre. Pharmaforschende suchen indes nach Arzneien, die den Tod in die Ferne schieben. Sie verheißen ein Rauszögerndes Alterns mittels Tabletten. 

Dass ein gesunder Lebensstil Jahre schenkt und das Siechtum im Alter hinausschiebt, steht auf solider Grundlage. Eindrücklich belegte die Heidelberger EPIC-Kohorte mit mehr als 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass jene, die weder rauchten noch Alkohol tranken, die schlank um die Hüften waren und einen günstigen Body-Mass-Index aufwiesen, länger lebten. Bewegung gehörte zu ihrer Lebensführung ebenso dazu. Männer, die all dies erfüllten, brachten es im Schnitt auf 16,8 Jahre mehr als Männer, die einem ungesunden Lebensstil anhingen. Bei Frauen waren es knapp zehn Jahre mehr. Altersleiden setzten bei beiden Geschlechtern später ein.  

Enthaltsamkeit verlängert ebenfalls das Leben

Neben Maßhalten beim Essen dehnt demnach auch Enthaltsamkeit beim Sex die gesunde Lebensspanne aus. Das verraten die Lebensdaten von Eunuchen am koreanischen Königshof. Diese lebten im Schnitt 14 bis 17 Jahre länger als die übrige männliche Bevölkerung.

„Wahrscheinlich beschleunigen die Keimzellen das Altern“, sagt Björn Schumacher, Alternsforscher an der Universität Köln. Er beobachtet diesen Effekt auch am Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Entfernt er dem Tier die Keimzellen, verlängert sich das Leben um durchschnittlich 60 Prozent.

Nun dürfte den meisten Menschen ein Leben als Eunuch wenig zusagen. Selbst die richtige Ernährung und Bewegung fällt vielen schon schwer, weiß auch Schumacher: „Wir wissen alle, dass ein gesunder Lebensstil gut ist und vor vielen Altersleiden schützt. Trotzdem halten sich viele nicht daran. Deshalb wären pharmakologische Substanzen für ein Altern in Gesundheit natürlich reizvoll.“

Hält ein Diabetesmedikament jung?

Als Verjüngungskur erforscht werden derzeit in erster Linie Arzneien, die bereits auf dem Markt sind. Eines der Prominentesten ist das Diabetesmedikament Metformin. Studien lieferten Hinweise, dass es Krebs sowie Herz-Kreislaufleiden entgegenwirkt – und damit zwei der häufigsten Todesursachen. Tierexperimente deuten auf einen lebensverlängernden Effekt hin: Fadenwürmer leben mit Metformin 57 Prozent länger. Mäuse sogar 60 Prozent.

Doch die Studien sind uneinheitlich und Daten von Menschen fehlen. Eine groß angelegte Untersuchung an 3000 Probanden, die TAME-Studie, ist erst angelaufen. Zuletzt ließ allerdings eine dänische Studie eher unangenehm aufhorchen: Aus Registerdaten an über einer Million Geburten ergab sich, dass die Kinder häufiger Fehlbildungen hatten, wenn die Väter Metformin eingenommen hatten. Dem Zusammenhang muss nun weiter nachgegangen werden. Schumacher vermutet eine generelle Beziehung zwischen Langlebigkeit und Fruchtbarkeit: „Wer sein Leben verlängert, kann sich womöglich schlechter fortpflanzen.“

Schlafende Zellen entfernen

Mit dem Alter nimmt die Zahl defekter Zellen in allen Geweben zu. Sie werden in eine Art „schlummernden Zustand“ versetzt, damit sie keinen Schaden anrichten. Man nennt sie „seneszente Zellen“, aus dem Lateinischen „senescere“ für „alt werden“. Das kalifornische Start-up Unity Biotechnology, das Pharmaka gegen das Altern entwickelt, will diese Zellen mit Medikamenten beseitigen. Denn im Umfeld der schlafenden Zellen befinden sich mehr Entzündungsbotenstoffe, die den Verfall im Alter regelrecht beschleunigen könnten, so Unity. In einer klinischen Studie ließ das Unternehmen eine Arznei gegen seneszente Zellen in die Knie von mehr als 100 Arthrosepatienten spritzen, in der Hoffnung, das Gelenkleiden auszubremsen. Doch die Studie scheiterte. Das war 2020. Nun versucht Unity mit dem gleichen Ansatz bei einem Augenleiden von Diabetikern, dem Makulaödem, Erfolge zu erzielen.

Für die Geriaterin Ursula Müller-Werdan von der Berliner Charité ist das „einer der vielversprechenden Ansätze gegen das Altern.“ Sie hegt große Hoffnung, dass es bald entsprechende Medikamente geben werde. Ihr Kölner Kollege Björn Schumacher ist skeptischer: Um zu beweisen, dass Menschen damit tatsächlich 20 Jahre länger gesund leben, müssten Studien über ein Vierteljahrhundert gemacht werden. Da die Pharmabranche also in absehbarer Zeit diesen harten Beweis nicht liefern könne, sei es bei aller Mühsal viel verlässlicher darauf zu bauen, wo wir diesen Beleg längst haben: Gesund zu leben. Schumacher findet: „Ein paar gesunde Jahre mehr sind es doch auch wert“ – und joggt dafür regelmäßig.

 

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