Gesundes Leben, Medizin, Pflege

Kann man Gluten-Unverträglichkeit bald heilen?

05.01.2023
Kurz und knapp

Gluten, das Klebeiweiß aus vielen Getreidesorten, sorgt bei manchen Menschen für eine zerstörerische Immunreaktion. Medizinerinnen und Mediziner nennen das „Zöliakie“; die meisten kennen es als „Gluten-Unverträglichkeit“. Ein Hemmstoff könnte diese schädliche Abwehrreaktion aushebeln. Das macht Hoffnung auf eine neue Behandlungsform – zumindest bei manchen Betroffenen.

Zöliakie: Wenn Gluten Ärger macht

Ist die Sauce mit Mehl gebunden, oder wurden altbackene Brötchen ins Hackfleischgericht gemischt? Was steht auf der Zutatenliste der Ketchup-Flasche? Und steckt vielleicht Gluten in der (veganen) Bratwurst, im Weingummi oder im Pudding? Betroffene mit Zöliakie müssen ihr Leben lang aufpassen, was sie essen. Denn vollständiger Verzicht auf Gluten, das Klebeiweiß vieler Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel, Einkorn, Emmer und Kamut, ist bislang die einzig wirksame Therapie bei dieser chronischen Erkrankung. Ein neuer Wirkstoff weckt allerdings Hoffnung auf eine zweite Option – zunächst aber noch nicht für alle Zöliakie-Patientinnen und Patienten.

 

Tückische Immunreaktion

Zöliakie zählt zu den Autoimmunerkrankungen. Bei Betroffenen erkennt die körpereigene Abwehr das Gluten, das beim Verdauungsprozess aus dem Nahrungsbrei freigesetzt wird, als Feind – gerade so, als ob es sich um Krankheitserreger handelte. Eine entscheidende Rolle spielt dabei ein Eiweißmolekül namens Transglutaminase in der Darmschleimhaut des Dünndarms. Das Enzym verändert das freigesetzte Gluten im Darm und dieses löst erst dann eine Immunantwort aus. Es kommt zu starken Entzündungsreaktionen in der Darmschleimhaut, wodurch letztlich die sogenannten Darmzotten verkümmern. Dabei handelt es sich um feine, fingerartige Ausstülpungen der Darmschleimhaut, die vor allem dazu dienen, Nährstoffe aus dem Darminhalt ins Blut aufzunehmen.

In der Folge ist die Nährstoffaufnahme eingeschränkt, es kommt zu Mangelerscheinungen und Gewichtsverlust. Außerdem leiden Betroffene häufig unter Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen. Neben dem Magen-Darm-Trakt kann die Erkrankung aber auch andere Organe betreffen. Zyklusstörungen, Unfruchtbarkeit, Depressionen und Migräneanfälle, Müdigkeit, erhöhte Leberwerte, Knochenschmerzen mit Osteoporose oder eine Arthritis sind mögliche Symptome.

 

Hemmstoff als Hoffnungsträger

Ist die Zöliakie sicher diagnostiziert, hilft bislang nur ein konsequenter und lebenslanger Verzicht auf glutenhaltige Speisen. Hoffnung auf eine andere Behandlungsform kommt indes von einer Gruppe Forschenden aus Mainz und ihren internationalen Kollegen und Kolleginnen. Sie veröffentlichten 2021 eine Studie, in der sie den Beweis lieferten, dass die Einnahme eines Transglutaminase-2-Inhibitors – also einer Substanz, die die Funktion des Enzyms hemmt – die Umwandlung von Gluten und damit auch die schädliche Immunreaktion verhindert. Aktuell prüft das Forschungsteam die Wirksamkeit in einer klinischen Studie mit einer größeren Probandengruppe – mit insgesamt 400 Patientinnen und Patienten in 14 Ländern. Bestätigt sich die Wirksamkeit des Hemmstoffs, so hätten Medizinerinnen und Mediziner im Fall einer Zulassung eine neue Behandlungsmethode für Zöliakie an der Hand – wenn auch noch keine endgültige Heilung.

Ihre strenge Gluten-freie Diät dürfen Betroffene leider trotzdem erstmal nicht ad acta legen. Zunächst wird die Wirksamkeit lediglich bei Patientinnen und Patienten geprüft, die trotz Diät noch immer unter Beschwerden leiden und Antikörper im Blut haben. Sollte der Wirkstoff für die Therapie zugelassen werden, so gilt dies wahrscheinlich zunächst nur für diese spezielle Gruppe. Es sei aber dankbar, dass auch andere Patienten profitieren, etwa wenn sie sich auf Reisen befinden oder in Ländern, in denen keine streng Gluten-freie Ernährung möglich ist, erklärt Detlef Schuppan, Direktor des Instituts für Translationale Immunologie und der Ambulanz für Zöliakie, Dünndarmerkrankungen und Autoimmunität der Universitätsmedizin der Johannes Guttenberg-Universität Mainz in der Apotheken-Umschau.

 

Website der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V.

Interview mit Detlef Schuppan zum neuen Wirkstoff.

 

Inspirierende Fragen

1 Artikel  ·  Gesundes Leben, Medizin, Pflege
Anonym28.06.2022