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Verändern sich durch den Klimawandel Wurzelsysteme von Pflanzen?

05.01.2023
Kurz und knapp

Die Forschung zeigt, dass Pflanzen mit ihren Wurzelsystemen in der Tat auf veränderte klimatische Bedingungen reagieren. Die einfache Rechnung, dass sie tiefer wurzeln, um sich besser zu versorgen, geht allerdings nur bedingt auf. Denn es ist nicht die Wurzeltiefe allein, die über eine bessere Versorgung entscheidet. Auch die Mikroorganismen im Boden und andere Faktoren spielen eine Rolle. Wie sich das alles unterm Strich auswirkt, ist noch unklar.

Alter Gärtnertrick

In trockenen Sommern, so wie in den vergangenen Jahren, hilft ein alter Gärtnertrick, die Pflanzen im Beet vor dem Vertrocknen zu schützen: Seltener gießen, dafür mehr auf einmal. Zwanzig bis dreißig Liter pro Quadratmeter braucht es, damit der Boden bis in die Tiefe mit Wasser versorgt wird. So lassen sich Pflanzen zur Bildung von tiefer reichenden Wurzeln erziehen, damit sie auch in Hitzeperioden nicht so leicht schlapp machen. Sie können das Wasser dann aus größerer Tiefe holen, wenn der Boden oberflächig austrocknet.

 

Werden Veränderungen vererbt?

Dass Pflanzen mit ihrer Wurzelbildung auf klimatische Veränderungen reagieren, ist also bekannt. Fragen kann man sich jedoch, ob solche Veränderungen im Wurzelsystem auch genetisch vererbt werden, so dass es zu einer weiterreichenden Anpassung an neue klimatische Bedingungen kommt. Erste Studien dazu zeigen, dass die Fähigkeit von Pflanzen, senkrecht in die Tiefe strebende Wurzeln auszubilden, in der Tat vererbbar ist und sich sogar durch die Deaktivierung eines bestimmten Gens manipulieren lässt. Zumindest in der Theorie. In der Praxis sind die dafür notwendigen Methoden, die unter dem Namen „CRISPR/Cas“ bekannt sind und der Gentechnik zugeordnet werden, in der Landwirtschaft nicht zugelassen. Eine weitere Einschränkung: Tieferes Wurzelwachstum und somit eine erhöhte Kapazität, mehr Wasser und Nährstoffe aufzunehmen, führt nicht automatisch dazu, dass die Pflanze sich oberirdisch besser entwickelt und bessere Ernteerträge hervorbringt. Auch das Zusammenspiel zwischen der Pflanze und den Mikroorganismen im Boden spielt eine wichtige Rolle.

 

Die Rolle der Bodenmikroben

Bei diesem Zusammenspiel sondert die Pflanze sogenannte Wurzel-Exsudate ab. Wurzel-Exsudate sind komplexe Mischungen aus einfachen Zuckern, Aminosäuren und Signalstoffen, die mit den Mikroorganismen im Boden kommunizieren. Bei extremer Trockenheit, das zeigen Studien, verändert sich das Wurzel-Exsudat – und zwar dahingehend, dass die Boden-Mikroorganismen stärker stimuliert werden. Für die Pflanze ist das von Vorteil, weil die Organismen aktiver werden und den Pflanzen mehr Nährstoffe liefern. Nachweisen konnten Forschende diesen Effekt, indem sie die Menge an CO2 gemessen haben, die dem Boden entweicht. Je höher die Aktivität der Mikroorganismen, desto mehr CO2 wird produziert. Demnach hat die Veränderung im Wurzel-Exsudat für die Pflanze also positive Effekte, verschärft jedoch durch den erhöhten CO2-Ausstoß wahrscheinlich die Klimaerwärmung.

 

Verschobene Wachstumsphasen

Nicht nur die Länge der Wurzeln und das Zusammenspiel zwischen Wurzel und Bodenmikroben verändert sich durch den Klimawandel, sondern auch die Wachstumsphasen. Dazu gibt es ebenfalls erste wissenschaftliche Untersuchungen. Eine kürzlich im Fachjournal Nature Climate Change veröffentliche Publikation hat vorhandene Studien zusammenfassend ausgewertet. So zeigt sich, dass Gehölzpflanzen wie Bäume auf den Klimawandel reagieren, indem die Wachstumsphase der Wurzeln früher in der Saison ansetzt und später zu Ende geht als das Wachstum der oberirdischen Pflanzenteile. Bei Gräsern und Kräutern ist es andersherum: Oberirdisch verlängern sich die Wachstumsphasen, das Wurzelwachstum dagegen verändert sich nicht.

So oder so führt diese Verschiebung zu einer Neuverteilung von Biomasse und zu einer Veränderung des Pflanzenstoffwechsels. Die genauen Effekte sind allerdings noch nicht erforscht.

Unterm Strich zeigen die Resultate der verschiedenen Forschungsarbeiten, dass Pflanzen mit ihren Wurzelsystemen in der Tat auf veränderte klimatische Bedingungen reagieren. Die einfache Rechnung „Tiefere Wurzeln, bessere Versorgung“, wie sie der Hobbygärtner oder die Hobbygärtnerin aufmacht, lässt sich allerdings nur bedingt verallgemeinern. Zum einen ist es nicht die Wurzeltiefe allein, die entscheidet. Und bei den weiteren angestoßenen Faktoren und Effekten ist noch unklar, ob sie für Pflanzen und Klima insgesamt eher nützlich oder schädlich sind.

 

Eine kurze und verständliche Zusammenfassung der 2019 von Franciska T. de Vries und anderen im Journal „New Phytologist“ veröffentlichten Resultate zu den Wurzel-Exsudaten bietet ein Beitrag im Deutschlandfunk.

Das phasenverschobene Wachstum von Wurzeln und oberirdischen Pflanzenteilen wird detailliert und mit Link auf die Originalpublikation beschrieben in einer Pressemeldung der Universität Bern.

Bericht über genetische Veränderungen, die zu tieferem Wurzelwerk führen.

 

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