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Wann wird die Schulbildung digitalisierter?

09.01.2023
Kurz und knapp

Man könnte sagen, „die Digitalisierung“ hat bereits stattgefunden. Fast alle Klassenräume sind mit einem digitalen Projektor oder einem digitalen Whiteboard ausgestattet, in vielen Schulen werden Hausaufgaben über digitale Plattformen organisiert, etc. Doch die zentrale Frage ist gar nicht, wie viele digitale Medien vorhanden sind, sondern welche und wie sie von wem genutzt werden und welche Auswirkungen das auf das Lehren, das Lernen, das schulische Zusammenleben und die Rollen von Schülern und Schülerinneninnen und Lehrenden hat.

Diese Frage aus dem IdeenLauf wurde von unserem Partner Leibniz-WissenschaftsCampus – Postdigitale Partizipation beantwortet. Mehr Informationen zu den Partnern des Wissenschaftsjahres 2022 finden Sie hier.

Digitalität ist schon da

Die Frage, wann die Schulbildung „digitalisierter“ wird, ist einerseits leicht und andererseits sehr schwer zu beantworten. Leicht zu beantworten ist sie, weil in der Schulbildung insgesamt jeden Tag mehr bzw. öfter digitale Medien genutzt werden. Sehr schwer zu beantworten ist sie, weil unklar ist, was „digitalisierter“ genau bedeutet. Geht es um „mehr digitale Medien“, darum, „öfter digitale Medien zu nutzen“, „in mehr Bereichen digitale Medien zu nutzen“, „bestimmte digitale Medien zu nutzen“ oder „auf eine bestimmte Art und Weise digitale Medien zu nutzen“? All diese und weitere Möglichkeiten, die Frage zu verstehen, sind völlig richtig und wichtig, doch aus Sicht medien- und kulturwissenschaftlicher Bildungsmedienforschung sind die letzten beiden Fragen die interessantesten.

 

Es geht nicht in erster Linie um Digitalität an sich

Denn ob etwas digital ist oder nicht, ist gar nicht so entscheidend, wie Schlagworte wie „Digitalisierung“ oder „Digitale Bildung“ vermuten lassen. Jedes Medium – ob digital oder analog – hat Eigenschaften, die bestimmte Lerninhalte und Arten des Lehrens und Lernens ermöglichen. Und hier unterscheiden sich verschiedene digitale Medien genauso sehr voneinander, wie sich einzelne digitale Medien von analogen unterscheiden. Gleichzeitig können bestimmte digitale und analoge Medien nach ganz ähnlichen Prinzipien funktionieren. Ein digitales adaptives Lernsystem für Vokabeln ähnelt viel eher analogen Karteikarten zum Vokabellernen als einem digitalen Videokonferenzsystem. Und dann kommt noch hinzu, dass Medien erst durch die Art und Weise, wie sie genutzt werden, wirksam werden. In einer Videokonferenz kann genauso ein 90-minütiger Vortrag umgesetzt werden, wie Breakout-Räume zur Zusammenarbeit von Schülerinnen und Schülern.

 

Mehr Digitalität ist nicht gleich besser – Reflexion ist gefragt!

Vor diesem Hintergrund wird klar: Mehr Digitalität ist nicht automatisch besser. Vielmehr muss reflektiert werden, was mit dem Einsatz der jeweiligen Medien einhergeht. Das beginnt bei der Frage, welche Firmen aus der IT-Wirtschaft dadurch Eingang in die Schule finden und ggf. Zugriff auf Daten von Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern bekommen. Es geht auch darum, welche Endgeräte Schulen anschaffen, unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden, wie lange sie genutzt werden und in welcher Art und Menge Elektroschrott aus ihnen wird. Viele digitale Medien ermöglichen zudem Lehrerinnen und Lehrern und auch Eltern, die Kinder stärker zu überwachen, z. B. immer nachvollziehen zu können, ob und wann welche Hausaufgaben erledigt wurden, wann welche Apps genutzt wurden. Das macht etwas mit der Beziehung zwischen den Menschen und ändert, wie gelernt und gelehrt wird. In jedes Medium sind Vorstellungen darüber „eingeschrieben“, wie schulische Bildung sein sollte – und die sind nicht immer wünschenswert. Daher darf es nicht nur darum gehen, mehr Digitalität zu fordern und damit einen „Fortschritt“ anzunehmen, dem „Deutschland hinterherhinkt“, sondern genau hinzuschauen und zu reflektieren, welche Art von Medien – seien sie digital oder analog – wir in unseren Schulen nutzen möchten und auf welche Art und Weise.

 

Weitere Informationen zum Thema digitale Schulbildung finden Sie hier und hier