Gesundes Leben, Medizin, Pflege

Warum kann man sich zum Wachbleiben zwingen, aber nicht zum Schlafen?

21.10.2022
Kurz und knapp

Wir können unserem Gehirn nicht befehlen, jene Botenstoffe auszusenden, die es braucht, um den Körper in den Schlaf-Modus zu versetzen. Vor allem haben wir keinen willentlichen Einfluss darauf, wann wir wieder aufwachen. Aber wir können uns bewusst körperlich bewegen. Und ein Körper in Bewegung schläft nicht. Wie wir uns aber auch anstrengen: Irgendwann überkommt uns der Schlaf.

Eine Antwort auf diese Frage finden Sie in Folge 4 von #SchlauerIn5Minuten, in der die Wissenschaftsjournalistin und Moderatorin Lena Ganschow kurz und knapp Fragen aus dem Wissenschaftsjahr 2022 beantwortet.

Kein Weltrekord im Schlafen

Der Weltrekord im Wachbleiben liegt bei elf Tagen und elf Nächten. Das heißt im Umkehrschluss: Selbst den Extremst-Wachbleiber zwingt sein Körper irgendwann dazu, einzuschlafen. Dass wir, ohne es zu wollen, einschlafen oder für einen Moment einnicken, passiert relativ häufig – zum Beispiel vor dem Fernseher, beim Podcast-Hören abends im Bett und leider auch für kurze, aber gefährliche Momente am Steuer. „Einnicken“ heißt das deshalb, weil der Kopf typischerweise wegen der nachlassenden Muskelspannung nach vorn fällt, wenn man im Sitzen einschläft.

Von Weltrekorden im Schlafen, auf der anderen Seite, ist wenig bekannt. Dies führt bereits zum Kern der Frage: Das Wachbleiben lässt sich als Experiment organisieren, welches unter mehr oder weniger kontrollierten Bedingungen stattfindet. Das Schlafen kaum. Dass jemand sich hinlegt und sagt: „So, ich lege mich jetzt für mindestens zweieinhalb Tage schlafen“, um dann tatsächlich zweieinhalb Tage oder wie lange auch immer durchzuschlafen, während Messinstrumente das Experiment überwachen und beweisen, dass die Person auch wirklich schläft – das scheint einfach nicht zu funktionieren.

 

Unser Autopilot: das vegetative Nervensystem

Der Grund, warum wir das Wachbleiben (in Grenzen) erzwingen können, das Einschlafen und Schlafenbleiben hingegen nicht, hat damit zu tun, dass die Aktivität des Schlafes zu einem wesentlichen Teil vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird. Über dieses Nervensystem werden innerkörperliche Vorgänge reguliert, die wir nicht direkt willentlich beeinflussen können, wie Herzschlag, Atmung und Muskeltonus. Allenfalls können wir diese Funktionen indirekt beeinflussen. Wenn wir körperlich aktiv werden, steigt der Herzschlag, der Atem beschleunigt sich, wir spannen die Muskeln an. Anders herum geht es kaum: wir können kaum durch bewusste Aktionen unseren Herzschlag entschleunigen.

Auch der Schlaf wird über das vegetative Nervensystem gesteuert. Bei der Schlafeinleitung senden Regionen des Gehirns Botenstoffe aus, die dazu führen, dass der Tonus der Muskulatur abnimmt (deshalb das „einnicken“) und dass die Regionen im Gehirn, die für den Erhalt der Aufmerksamkeit verantwortlich sind, gehemmt werden.

 

Den Autopiloten austricksen

Ausschlaggebend dafür, dass diese Botenstoffe freigesetzt werden, sind Faktoren wie die Tageszeit, Licht und die innere Uhr, also die Schlafgewohnheit der betreffenden Person. Wir können uns nicht selbst befehlen, die Botenstoffe in Zirkulation zu setzen. Zwingen können wir uns (in Grenzen) nur dazu, unseren Körper in einen Zustand zu versetzen, der das Einschlafen unmöglich macht. Solange wir uns beispielsweise bewegen, können sich die Muskeln nicht ausreichend entspannen und kann das Herz nicht auf eine Frequenz hinuntergefahren werden, die für den Zustand des Schlafes notwendig ist. Deshalb können wir das Wachbleiben (in Grenzen) erzwingen, das Einschlafen hingegen nicht.

 

Weitere Informationen

Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ hat ein lesenswertes Stück über Wachbleibe-Weltrekorde. 

Tipps bei Schlafstörungen bieten die die Informationsseiten der gesetzlichen Krankenkassen. Einige Kassen bieten ihren Versicherten sogar Online-Trainings gegen Schlafstörungen an.