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Warum perlen Tropfen an Gefäßen ab?

17.01.2023
Kurz und knapp

Der Perleffekt einer Flüssigkeit hängt nicht nur von ihr selbst ab, nämlich der Stärke ihrer Oberflächenspannung. Auch die chemischen Eigenschaften und die Oberflächenstruktur der Oberfläche, auf der die Flüssigkeit abperlt, spielen mit. Wie es dazu kommt, dass etwa Wasser von Pflanzen wie Lotus und Kapuzinerkresse spurlos mit fast runden Tropfen abperlt, hat die Wissenschaft erst herausgefunden, als es hochauflösende Mikroskope gab. Das Geheimnis liegt in der Mikrostruktur der Blattoberflächen.

Eine Frage der Spannung

Dass Wasser Tropfen bildet und auch auf einer Oberfläche etwa aus Glas nicht komplett zerfließt, sondern flache, aber doch erhabene und zusammenhängende Mengen formt, liegt an der Oberflächenspannung. Die Wassermoleküle ziehen sich gegenseitig an und bilden sogenannte Wasserstoffbrücken, die sie miteinander verbinden. Diese „Kohäsionskraft“ ist bei Wasser im Vergleich zu anderen Flüssigkeiten groß, so dass die Oberflächenspannung recht stark ausfällt. Darum fließt Wasser bei Überfüllen eines Glases erst über den Rand, wenn es eine gewisse Höhe übersteigt. Und leichte Insekten wie zum Beispiel Wasserläufer können darauf gehen ohne unterzugehen. Gibt man dem Wasser aber zum Beispiel Seife hinzu, dann lässt die Oberflächenspannung sofort nach, der Wasserläufer versinkt.

 

Die Schwerkraft tut ihr Übriges

Die Anziehung der Moleküle untereinander führt dazu, dass Wasser seine Fläche stets möglichst minimiert, um den energetisch optimalen Zustand zu erreichen. Und da die Form mit der kleinstmöglichen Oberfläche die Kugel ist, nehmen Wassertropfen in der freien Luft eine Kugelform an. Die nicht ganz runde, sondern nach oben hin zugespitzte Tropfenform ergibt sich aus dem Zusammenspiel mit der Schwerkraft der Erde, die ebenfalls an den Wassermolekülen zerrt.

Wenn nun also ein Tropfen an der schrägen Oberfläche eines Gefäßes hinabrinnt, dann wirken Kohäsions- und Schwerkraft gleichzeitig auf ihn. Wie klar der Perleffekt ausfällt – also wie rundlich der Tropfen dabei ist und ob er Spuren hinterlässt, hängt zudem von der Form und dem Material der Oberfläche ab. Ist das Material chemisch hydrophil – also wasserliebend – so neigt der Tropfen dazu, die Oberfläche weiträumig zu benetzen und mit der Zeit einzudringen. Bei unbehandeltem Holz zum Beispiel ist das der Fall. Ist ein Material dagegen hydrophob – also wasserabweisend – so bleiben die Tropfen weitgehend intakt und perlen ab. Das geschieht etwa, wenn das Holz mit Öl behandelt wurde, denn Öl vermischt sich nicht mit Wasser.

 

Der Lotuseffekt

Besonders gut perlen Wassertropfen außerdem von Oberflächen mit einer bestimmten Mikrostruktur ab. Man kennt das als „Lotuseffekt“ – benannt nach der Pflanze, auf deren Blättern man ihn als erstes beobachtete. Ihre Oberfläche besteht aus vielen kleinen noppenartigen Zellen, „Papillen“ genannt. Sie sind etwa 10 bis 20 Mikrometer hoch und ebenso weit voneinander entfernt. Außerdem sind sie mit einem hydrophoben Wachs beschichtet. Wenn nun ein Tropfen auf diese Oberfläche fällt, kann er wegen des Wachses nicht eindringen. Zudem bleibt zwischen den Papillen ein Luftpolster. Die Kontaktfläche zwischen Wasser und Blatt ist dadurch extrem gering, der Tropfen rutscht von der Schwerkraft getrieben einfach ab und reißt dabei etwaigen Schmutz auf der Oberfläche mit sich. Hersteller schmutzabweisender Gläser oder anderer Produkte machen sich diesen Lotuseffekt zunutze, indem sie Oberflächen entsprechend beschichten.

 

Die Sendung mit der Maus erklärt den Lotuseffekt.

Ein anderes Video, gedreht von Studierenden der Universität Köln, erklärt das Phänomen der Oberflächenspannung.