Gesundes Leben, Medizin, Pflege

Warum sind Menschen so besorgt über den Tod?

11.11.2022
Kurz und knapp

Die Angst vor dem Tod ist manchmal Angst vor dem Sterben, manchmal Angst vor dem, was danach kommt. Für Evolutionsbiologen ist sie ein Trick der Natur, der Organismen dazu bringt, mit aller Macht um ihr Leben zu kämpfen. Für uns ist sie der Preis, den wir für unsere einzigartige Kombination von Intelligenz und Selbstbewusstsein zahlen. Mit vernünftigen Argumenten ist ihr jedenfalls kaum beizukommen.

Irrationale Sorge

Der antike Philosoph Epikur war, was den Tod angeht, ziemlich entspannt. Von ihm ist der Satz überliefert: „Das schauerlichste aller Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“ Demnach sollte uns der Tod egal sein, denn wenn es uns nicht mehr gibt, können wir uns auch nicht mehr grämen, nicht zu sein.

Doch bekanntlich sind wir nicht so rational wie Epikur. Schon in jungen Jahren versteht der Mensch, dass sein Leben endlich ist und für die allermeisten ist das ein beängstigender und deshalb gern verdrängter Gedanke.

 

Erklärungsversuche

Die Angst vor dem Tod bezieht sich oft weniger auf den Tod selbst, als auf das Sterben: Menschen fürchten sich davor, was sie dabei durchmachen müssen. Durch die Brille Epikurs betrachtet, wäre dies in der Tat das Einzige, was zu fürchten ist. Auch wenn die Palliativmedizin hier in den meisten Fällen Linderung verschaffen kann.

Die Angst vor dem Tod betrifft aber eben auch das, was einen nach Epikur nicht zu kümmern braucht: die bloße Aussicht, dass das Leben irgendwann vorbei ist. Damit einher geht das Bedauern, viele Dinge nicht mehr tun oder erleben zu können, die man gern noch getan oder erlebt hätte. Ganz konkrete Ängste können die Situation betreffen, die man hinterlässt, vielleicht Kinder, bei denen man nicht sicher ist, ob sie gut versorgt sind. Manche sind nicht davon überzeugt, dass mit dem Tod alles Erleben endet und sorgen sich vor dem, was kommen mag. Gerade streng religiöse Menschen fürchten bisweilen die Konfrontation mit Gott und das Gericht, das ihnen ihrem Glauben nach bevorsteht. Andere hingegen freuen sich darauf, bereits Verstorbene wiederzusehen.

All diese Erklärungsversuche können allerdings wenig gegen die grundlegende Zumutung ausrichten, dass diese ganze spannende Geschichte des Lebens weitergeht und man selbst irgendwann nicht mehr dabei sein wird.

 

Angst vor dem Tod und Todesangst

Neben dieser eher allgemeinen Angst vor dem Tod kennen die meisten Menschen Todesangst als Reaktion auf eine akute bedrohliche Situation. Wozu diese gut ist, erklären uns die Evolutionsbiologen: Wenn es nachts im Dunkeln im Gebüsch knackt oder wir in der Unterführung Schritte hinter uns hören, bereitet sich der Körper auf eine passende Reaktion vor: rennen oder kämpfen. Dabei werden Stresshormone ausgeschüttet, Blutdruck, Blutzuckerspiegel und Atemfrequenz steigen an. Begleitet wird das Ganze von einem Gefühl von Furcht oder aufkommender Panik. Dieses verdrängt alles andere aus dem Bewusstsein, jetzt geht es erst einmal ums Überleben. Und jeder weiß, wie schwer diese Gefühle zu beherrschen sind. Evolutionär hat dieses nicht immer vernünftige Verhaltensprogramm den Vorteil, dass es den Organismus dazu bringt, alles zu tun, was möglich ist, um zu überleben. Was die Chancen, die eigene Gene in die nächste Generation zu bringen, enorm erhöht.

 

Der Preis der Intelligenz

Akute Todesangst kennen vermutlich auch viele Tiere, auch wenn sie keine Vorstellung vom Ende des Lebens und damit vermutlich auch nicht die eher abstrakte Sorge um den Tod kennen, die die Menschen so beschäftigt. Dass wir verstehen, was auf uns zukommt, ist wohl der Preis, den wir für unsere einzigartige Kombination aus Intelligenz und Selbstbewusstsein zahlen, für die Fähigkeit, in die Zukunft zu denken und zu planen. Und für eine Intelligenz, die uns zu den mächtigsten Lebewesen der Erde macht – die aber selten ausreicht, um den Tod so entspannt zu betrachten wie Epikur.

 

Ein Video des mdr zum Thema finden Sie hier