Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Sicherheit

Welche Faktoren stärken den Glauben an Falschinformationen?

16.12.2022
Kurz und knapp

Verschwörungstheorien bilden eine gemeinsame Erzählung der Elitenkritik. Deshalb lässt sich Corona-Skepsis am besten durch den Glauben an andere politische und medizinische Verschwörungstheorien erklären. Alle weiteren untersuchten Faktoren wie Einkommen, Bildung, politische Zugehörigkeit oder das Vertrauen in die Regierung, die eine Rolle spielen könnten, zeigten sich in Studien als höchstens nebensächlich.

 

Beispiel Corona-Skepsis

Welche Faktoren oder Mechanismen bewirken, dass viele Menschen unreflektiert an Falschinformationen wie zum Beispiel Verschwörungstheorien glauben und rationale Argumente nicht berücksichtigen?

Ein gutes aktuelles Beispiel ist Covid-19. Bekannte Falschnachrichten oder Fake News in diesem Kontext sind etwa die Behauptung, dass die Krankheit von der Pharmaindustrie oder von bösen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Auftrag von Bill Gates in einem Labor erzeugt wurde. Eine andere Behauptung, die in den ersten Corona-Monaten kursierte, war, dass es Covid-19 gar nicht gibt, und dass die Tests, mit denen das Virus nachgewiesen wird, reiner Betrug seien. Eine weitere Meinung, die die Runde machte, war, dass Covid-19 für die Gesamtbevölkerung nicht gefährlicher ist als eine herkömmliche Grippe.

Wie kommt es, dass so viele Menschen derartige Behauptungen glauben, selbst nachdem sie wissenschaftlich einwandfrei widerlegt wurden?

Der Politikwissenschaftler Kostas Gemenis, aktuell Professor an der Technischen Universität Zypern und vormals Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, ist dieser Frage in einer empirischen Studie nachgegangen. Sein Untersuchungsmaterial speist sich aus Resultaten einer Umfrage mit über 5.000 Teilnehmenden, die er in Griechenland durchgeführt hat.

 

Bildung, Einkommen, politische Gesinnung: Spielt keine Rolle!

Die Studie zeigt sehr deutlich, welche Faktoren keine oder nur eine sehr geringe Rolle dabei spielen, ob jemand für Fake News in Sachen Corona empfänglich ist. Dazu zählt, wo sich jemand auf der politischen Rechts-Links-Skala verortet oder welche politische Gesinnung sich jemand zuschreibt (etwa in Bezug auf die Legalisierung von Cannabis, Abtreibung oder Einwanderung). Auch Alter und Einkommen scheinen so gut wie keine Rolle zu spielen für die Anfälligkeit für Falschinformationen. Die persönliche Betroffenheit durch die Pandemie, politische Bildung sowie das Vertrauen in Kirche, Polizei, Regierung und das nationale Gesundheitssystem oder eine skeptische Haltung gegenüber der griechischen EU-Mitgliedschaft spielen als Faktoren ebenfalls nur eine geringe Rolle. Jedenfalls im Vergleich mit dem einen Faktor, der sich in den Untersuchungsresultaten von allen anderen Faktoren abhob. „Verschwörungstheorien und Corona-Skepsis“, resümiert Kostas Gemensis, „lassen sich am besten durch den Glauben an andere politische und medizinische Verschwörungstheorien erklären.“ Wer glaubt, dass die Mondlandung anderswo als im Fernsehen gar nicht stattgefunden hat, dass 9/11 durch die amerikanischen Geheimdienste initiiert wurde und dass die Dunststreifen, die Flugzeuge im blauen Himmel hinterlassen, Chemtrails, Chemikalienwolken sind, mit denen die Bevölkerung in einen künstlichen Zustand der Blödheit versetzt werden soll, der wird auch Falschinformationen in Bezug auf Covid-19 sein Vertrauen schenken.

 

Eine zusammenhängende Erzählung

Was die griechische Studie nicht berücksichtigt, ist der mögliche Einfluss der Geografie, das heißt Unterschiede zwischen Ländern oder Regionen. Michael Klein von der Universität Tübingen, der einem europäischen Forschungsnetzwerk vorsteht, das Verschwörungstheorien vergleichend analysiert hat, meint, dass in Skandinavien oder Westeuropa Verschwörungstheorien bereits nach dem Zweiten Weltkrieg als solche stigmatisiert worden sind. In großen Teilen Osteuropas jedoch seien Verschwörungstheorien gesellschaftlich akzeptiert und legitimiert: „In diesen Teilen der Welt sind sie eher zu einer Form der Elitenkritik geworden.“

Das fügt sich passend in das Resultat der griechischen Studie: „Unabhängig von ihrem jeweiligen Thema bilden die verschiedenen Verschwörungstheorien eine gemeinsame Erzählung“, sagt Gemenis. Diese lautet ungefähr so, dass alle möglichen Nachrichten von einer Elite nur vorgegaukelt werden, um die Mehrheit der Menschen zu unterdrücken. Dieses Grundmuster verbindet also verschiedene Stränge von Verschwörungstheorien. Oder anders ausgedrückt: Wer grundsätzlich glaubt, dass sich da jemand gegen ihn und andere verschworen hat, dem passen auch weitere Falschmeldungen und verschwörerische Elemente gut in sein Weltbild.

 

Eine psychologische Erklärung

Eine tieferliegende psychologische Erklärung dafür, warum Menschen, die bereits Verschwörungstheorien anhängen, auch eher weitere obskure Theorien für bare Münze nehmen, ist der so genannte Myside Bias oder Confirmation Bias – auf Deutsch: Bestätigungsfehler. Dieser Fehler besteht darin, dass Menschen immer eher nach Informationen suchen und bevorzugt solchen Informationen Aufmerksamkeit schenken, die ihre bisherige Meinung oder Position untermauern, statt diese in Frage zu stellen. Die schlechte Nachricht: Der Fehler scheint quasi immun zu sein gegenüber allen Versuchen, stattdessen rationales Denken zu forcieren.

 

Die zitierte Studie ist frei zugänglich unter: Gemenis, Kostas. „Explaining Conspiracy Beliefs and Scepticism around the COVID-19 Pandemic“. Swiss Political Science Review 27, Nr. 2 (2021): 229–42. https://doi.org/10.1111/spsr.12467.

 

Informationen zum Bestätigungsfehler liefert der gleichnamige Eintrag in der deutschen Wikipedia.