Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Sicherheit

Wer räumt das Internet auf?

22.02.2022
Kurz und knapp

In den späten 1960er-Jahren startete der Internet-Vorgänger ARPANET mit dem Ziel, einen schnelleren Wissensaustausch zwischen einzelnen US-amerikanischen Universitäten zu ermöglichen. Zu dem Zeitpunkt waren nur vier Rechner miteinander verknüpft. Heute ist das Internet selbstverständlicher Teil unseres Alltags: 2021 nutzten es schätzungsweise 4,9 Milliarden Menschen weltweit. Für die entstehenden Datenmengen und Inhalte sind verschiedene Akteure verantwortlich.

Übrigens: Hier beantworten wir eine der Fragen aus dem IdeenLauf, der zentralen Mitmachaktion im Wissenschaftsjahr 2022 – Nachgefragt!.

Die größte Wohngemeinschaft der Welt

Man stelle sich vor, das Internet wäre ein Haus mit sehr vielen Räumen – Milliarden von Menschen gehen tagtäglich ein und aus und hinterlassen ihre Spuren. Manche nur einen Fußabdruck oder einen Dufthauch, andere ganze Berge an dreckiger Wäsche. Im richtigen Internet sind es Daten, die generiert, vervielfältigt und gespeichert werden: Nachrichten und Posts, Bilder, Videos und Texte oder auch die Spuren, die wir zum Beispiel in Form von Cookies hinterlassen. Und zwar in solchen Mengen, dass sich zu Recht die Frage stellt, ob nicht ab und an die Putzkolonne anrücken sollte.

Dass das Internet „nichts vergisst“, ist allerdings ein Mythos. Zwar gibt es Internet-Archive, die Zugriff auf längst vergessene Websites gewähren. Und auch das erneute Hochladen von Videos oder Screenshots durch andere Nutzerinnen und Nutzer können wir nicht verhindern. Doch allein die ständig nachrückende Menge an neuen Daten sorgt dafür, dass viele Einträge – zumindest in der Suchmaschine – schnell kaum noch zu finden sind. Zudem veralten Dateiformate und Betriebssysteme, Links führen irgendwann ins Leere und ganze Plattformen wie Myspace oder StudiVZ können verschwinden. Nicht zuletzt lebt auch eine Server-Festplatte nicht ewig: Der altmodische Datenträger Papier schlägt ihre Lebensdauer um ein Weites.  

Die dunkle Seite der Macht: kriminelle Inhalte und Zensur

Die riesigen Datenmengen sind das eine, das andere ist die „Dreckwäsche“, die es in vielen Ecken des Internets zu finden gibt: kriminelle Inhalte, Hatespeech, gewalttätige Videos, aber auch Fake News und Verschwörungserzählungen. Social-Media-Plattformen wie Facebook oder TikTok setzen auf eine Mischung aus Künstlicher Intelligenz und menschlichem Auge, um ungewollte und illegale Inhalte auszusortieren. Diese „Aufräumarbeit“ hat ihren Preis: Die psychischen Belastungen, denen die menschlichen Content-Moderatorinnen und -Moderatoren durch gewalttätige und traumatisierende Inhalte ausgesetzt sind, sind enorm.

Darüber, was überhaupt „aufgeräumt“ werden muss, entscheiden aber nicht nur private Firmen, sondern auch die politische Ordnung des Landes, aus dem aufs Netz zugegriffen wird. Viele autoritäre Regime setzen auf starke Beschränkungen. Mit der Folge, dass manche Inhalte oder Anwendungen von vornherein nicht zugänglich sind – oder nachträglich zensiert werden. Neben den technischen Herausforderungen spielen also auch die politischen, moralischen und ethischen Vorstellungen verschiedener Akteure eine entscheidende Rolle bei der Beantwortung unserer Frage.

Wer schreibt den „Putzplan“?

Das Internet hat eine dezentrale Struktur, das heißt, es gibt keine einzelne Firma, Regierung oder Interessengruppe, die einen größeren Einfluss auf seine grundlegenden Funktionen hat als andere. Damit aber nicht jede und jeder unkontrolliert eingreifen kann, gibt es Maßnahmen zu seiner Regulierung: Die sogenannte Internet Governance betrifft sowohl technische Fragen als auch Themen wie Datenschutz, Netzneutralität oder Künstliche Intelligenz.

Verschiedene Gremien auf supranationaler Ebene, beispielsweise das Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen, verfolgen dabei einen „Multi-Stakeholder-Ansatz“, der Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik in den Dialog bringt. Allerdings spricht auch das IGF nur Empfehlungen aus. Wer am Ende verantwortlich ist für beispielsweise problematische Inhalte im Netz – Nutzerinnen und Nutzer, private Firmen, Länder oder internationale Gremien – bleibt eine höchst umstrittene und juristisch kniffelige Frage.

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