Umwelt, Klima, Erde, Universum

Wer sammelt die riesigen Mengen an Weltraumschrott ein?

27.05.2022
Kurz und knapp

Jede Weltraummission, jeder Satellit verursacht Weltraummüll. Aber wer räumt ihn weg? Gibt es eine globale Zusammenarbeit, um dieses Problem anzupacken? Die technischen Möglichkeiten, um diese Aufgabe zu lösen, werden immer ausgefeilter. Aber niemand will die kosmische Müllabfuhr bezahlen.

Schrottteilchen gefährden Raumfahrt und Satellitentechnik

Seit das Raumfahrtzeitalter 1957 mit dem Satelliten „Sputnik“ begann, haben die daran beteiligten Nationen den erdnahen Weltraum in einen Schrottplatz verwandelt: Neben Hunderten ausgedienter Satelliten umkreisen Millionen Fragmente verschiedenster Größe die Erde, die unter anderem von ausgebrannten Raketenstufen stammen. Sie bleiben viele Jahrzehnte auf ihren Umlaufbahnen, bevor sie irgendwann absinken und in der Erdatmosphäre verglühen.

Bis dahin rast der Weltraummüll – es sollen 9000 Tonnen Trümmerteile sein – mit etwa 25.000 bis 28.000 Stundenkilometern über unsere Köpfe hinweg, fünfzehnmal schneller als eine Gewehrkugel. Ein zentimetergroßes Teilchen setzt dort oben beim Aufprall so viel Energie frei wie eine Handgranate bei der Explosion auf der Erde. Eine Gefahr für Raumstationen und Satelliten. Und bei jedem Zusammenstoß untereinander entstehen natürlich noch mehr Trümmerteilchen, eine Kettenreaktion.

Greifarme und Fischernetze

„Vor allem der Bereich zwischen 500 und 1000 Kilometern Höhe, wo Wetter-, Klima- und Kommunikationssatelliten unterwegs sind, ist gefährdet“, zitiert die Wochenzeitung „Die Zeit“ Dr. Holger Krag, den Leiter des Büros für Weltraumtrümmer („Space Debris Office“) bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Die arbeitet gemeinsam mit dem Startup Clear Space an einem kosmischen Müllsammler: Einmal in die Nähe eines Satellitenwracks oder Raketenfragments gebracht, dienen vier Greifarme dem einsammeln des Objekts, dann bringt der „Abschleppwagen“, wie die ESA selbst ihn nennt, Richtung Erdatmosphäre. Auf 100 Millionen Euro werden die Kosten einer einzigen Mission geschätzt. „Clear Space One“ soll 2025 startbereit sein.

Auch in den USA und Kanada wird an entsprechenden Projekten getüftelt. Größer Objekte will man womöglich wie mit Fischernetzen umschließen und aus dem Weg ziehen.

Doch selbst wenn die Technik funktionieren sollte: All den Weltraumschrott zu entfernen, würde Schätzungen zufolge mehr als 600 Milliarden US-Dollar kosten – und die will natürlich niemand bezahlen.

Müllvermeidung: möglich, aber freiwillig

Das Beste ist, im Himmel wie auf der Erde, die Müllvermeidung: „Wenn sich 90 Prozent der Betreiber an die Richtlinien hielten, würden wir das Weltall nicht weiter verschmutzen“, sagt Holger Krag. Aktuell liege die Quote gerade mal bei 50 Prozent. Denn wie ernst sie die Empfehlungen des IADC (Inter-Agency Space Debris Coordination Committee) nimmt, des internationalen Forums von Weltraumorganisationen zur Koordination gemeinsamer Aktivitäten gegen den Weltraummüll, entscheidet jede Nation für sich selbst.

Nur Frankreich hat seit 2010 gesetzliche Regelungen: So sind französische Satelliten mit Extratreibstoff auszustatten, damit sie nach Ende ihrer Lebensdauer in die Erdatmosphäre gelenkt werden können, um dort zu verglühen. Ob es jemals ein verbindliches internationales Abkommen geben wird, steht – genau: in den Sternen.

Dabei kommen immer mehr private Satelliten- und Raketenstarts hinzu, nicht zuletzt seit die Milliardäre Jeff Bezos, Elon Musk und Richard Branson, Raumfahrt und Weltraumtourismus als Geschäftsmodell entdeckt haben. Holger Krag schlägt eine Art gebührenpflichtige Müllabfuhr vor: Ausgediente Flugobjekte sollen von Greifrobotern abtransportiert und dieser Service den Verursachern in Rechnung gestellt werden: „Das würde dafür sorgen, dass die Entsorgung bei der Planung einer Mission gleich mitgedacht wird.“ Der Astrophysiker Manuel Metz, Co-Vorsitzender der Europäischen Konferenz über Weltraummüll, geht davon aus, dass die Entwicklung ähnlich sein wird wie beim Klimaschutz: „Wir werden viele kleine Schritte gehen, mehrere Ansätze nutzen müssen.“ Ein deutlich sichtbarer Erfolg liegt jedoch noch in weiter Ferne.