Innovation, Technik, Arbeit

Werden Roboter in Zukunft präzisere Operationen durchführen als der Mensch?

05.01.2023
Kurz und knapp

Chirurgische Eingriffe erfordern Präzision und Fachwissen – doch besonders bei sehr langen Operationen kann ihr Erfolg beeinträchtigt werden, weil die Chirurginnen oder Chirurgen körperlich ermüden. Assistenzsysteme im OP hingegen tragen dazu bei, chirurgische Fehler zu reduzieren. Sehr gut möglich, dass Roboter in einigen Jahrzehnten sogar selbstständig Operationen durchführen.

Operationsassistenten aus Stahl arbeiten schonend und präzise

Mit seinen vier Armen führt der OP-Roboter Da Vinci Skalpelle, Nadeln oder Zangen millimetergenau in den Körper von Patienten und Patientinnen ein. Er hat immer ein ruhiges Händchen und entfernt Tumore an Prostata, Niere oder Blase äußerst schonend, präzise und garantiert zitterfrei. Dadurch heilen Wunden schneller und das Infektionsrisiko ist geringer, die Behandelten erleiden weniger Schmerzen und können rasch wieder nach Hause. Seit 20 Jahren setzt die Ärzteschaft zunehmend auf ihren elektronischen Kollegen. „Bis 2020 hat er weltweit mehr als 8,5 Millionen Eingriffe durchgeführt“, informiert der Hersteller „Intuitive“ auf seiner Internetseite.

„Doch Da Vinci trifft keine selbständigen Entscheidungen, stattdessen wird er ferngesteuert“, betont der Chirurg Moritz Schmelzle. Streng genommen sei er deshalb kein Roboter, sondern diene nur als Assistent. Der Leiter der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover hat schon viele Operationen mit der Maschine durchgeführt, beispielsweise an der Leber, der Speiseröhre oder Bauchspeicheldrüse. Dabei sitzt er an einem Bildschirm, auf dem die zu operierende Körperregion zehnfach vergrößert und in 3D erscheint. Über eine Konsole lenkt er die Instrumente, schneidet und näht. „Aktuell arbeiten wir an Weiterentwicklungen dieses Systems“, erklärt der Fachmann, „in naher Zukunft werden wir echte Roboter haben, die so programmiert sind, dass sie unter Aufsicht bestimmte Operationsschritte eigenständig durchführen.“

 

Die Schwarmintelligenz soll Fortschritte bringen

Außerdem werden die Maschinen den Ärzten und Ärztinnen künftig Handlungsempfehlungen geben. Damit das gelingt, müssen die Roboter mit großen Datenmengen gefüttert werden. Dazu analysieren die Hersteller bereits tausende Operationsvideos. Sie nehmen jeden einzelnen Operationsschritt unter die Lupe und ermitteln so, an welcher Stelle die Mehrheit der Fachleute bei erfolgreich verlaufenden Eingriffen jeweils wie vorgegangen ist. „Wir werden von der Schwarmintelligenz profitieren, also dem Wissen von vielen Experten weltweit“, erläutert Schmelzle. In 20 bis 30 Jahren werden Roboter vielleicht sogar allein im Operationssaal arbeiten – auf Basis der riesigen Datenbank erfolgreicher Eingriffe. Vermutlich sitzt der Mensch dann nur noch in einer Art Kontrollraum, um den Eingriff zu überwachen.

„Auf dem Weg dorthin werden wir viel von der Autoindustrie lernen“, sagt der Chirurg. So sind Fahrassistenzsysteme wichtige Bestandteile moderner Autos. Die Elektronik merkt zum Beispiel, wenn die Fahrenden die Spur nicht halten, weist sie über Warnsignale darauf hin, lenkt allein zurück oder bremst. Mancher OP-Roboter reagiert schon heute ähnlich und schaltet sich selbst ab, wenn er merkt, dass der Mensch das Skalpell an der falschen Stelle ansetzt. Im Auto bilden die Assistenzsysteme die Grundlage für autonomes Fahren, das in den nächsten Jahren wohl zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Etwas später werde auch das „autonome Operieren“ immer mehr Verbreitung finden, glaubt Schmelzle.

 

Risiken der Roboterchirurgie müssen erforscht werden

Gut zu wissen, dass die Entwicklung der OP-Roboter in enger Zusammenarbeit mit der Technikfolgenabschätzung vonstattengeht. Ein wichtiges Thema ist dabei die IT-Sicherheit, um Roboter vor Hackerangriffen zu schützen oder davor, falsche Entscheidungen zu treffen. Eine weitere große Baustelle sei die Weiterbildung der Ärzteschaft. „Wir müssen sicherstellen, dass wir auch in Zukunft alle Schritte, die der Roboter vornimmt, nachvollziehen können“, erläutert der Experte. Noch müssen die Entwickler an ein paar Schrauben drehen, bevor Roboter selbstständig präzisere Operationen durchführen können als der Mensch. Aber dass dies geschehen wird, daran haben Fachleute wenig Zweifel.

 

Ein Interview mit einem weiteren Fachmann zu der Frage, ob Roboter künftig den Arzt ersetzen werden.

 

Inspirierende Fragen

1 Artikel  ·  Gesundes Leben, Medizin, Pflege
Anonym26.06.2022