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Wie bestimmt man die Entfernung eines Schwarzen Lochs?

05.01.2023
Kurz und knapp

Schwarze Löcher fressen Materie und sind so massereich, dass sie nicht einmal Licht entkommen lassen. Darum sind sie schwarz und unsichtbar. Doch auf indirektem Wege kann man ihre Distanz dennoch messen. Nämlich, indem man das Licht des Materials, das sie verschlingen, genau analysiert. Und sich der „kosmischen Entfernungsleiter“ bedient.

Die „kosmische Entfernungsleiter“

Schon die Entfernung von Sternen zu bestimmen, ist nicht leicht. Es gibt dazu mehrere Methoden, die aufeinander aufbauen – man nennt das auch „kosmische Entfernungsleiter“: Die erste Stufe ist die Entfernung zu unserem Stern, der Sonne. Sie beträgt im Mittel 149,6 Millionen Kilometer. Festgestellt wurde das mit einer Genauigkeit von wenigen Metern vor allem durch die Messungen von Radarsignalen, die von den anderen Gesteinsplaneten Merkur, Venus und Mars reflektiert wurden. Dazu kommen Bahndaten von Raumsonden, die um diese Planeten kreisen. Über die Gesetze der Himmelsmechanik – also wie die Planeten die Sonne umkreisen und sie zur Erde stehen – ließ sich damit die Entfernung der Sonne ermitteln.

Die nächste Stufe der Leiter sind Sterne, die nicht weiter als rund 300 Lichtjahre entfernt sind. Ihre Distanz lässt sich über den Parallaxen-Effekt bestimmen. Das ist der gleiche Effekt, mit dem unser Gehirn Entfernungen abschätzt – nämlich dadurch, dass unsere beiden Augen aus leicht verschiedenen Richtungen auf ein Objekt und dessen Hintergrund schauen. Die Entfernung zwischen den Augen kennt das Gehirn und kann so aus den verschiedenen Einzelbildern, die beide Augen an unseren Denkapparat übermitteln, die Entfernung berechnen. So machen es Astronominnen und Astronomen auch: Sie schauen auf einen Stern aus zwei Positionen, deren Abstand zueinander sie kennen – zum Beispiel einmal im Winter und einmal im Sommer, also von entgegengesetzten Positionen der Erde auf ihrer Umlaufbahn. Sie liegen rund 300 Millionen Kilometer auseinander. In dieser Zeit verschiebt sich der Stand des betrachteten Sterns gegenüber dem Hintergrund.

 

Parallaxe und Helligkeit

Ein Lichtjahr entspricht fast 10 Billionen Kilometern. Daher wird der Parallaxenwinkel für eine derartige geometrische Berechnung bei weit entfernten Sternen zu klein.

Dies liegt auch daran, dass die turbulente Lufthülle der Erde die Bilder etwas verwackelt. Darum messen heutzutage vor allem astronomische Satelliten wie „Gaia“ per Parallaxeneffekt die Entfernung von Sternen. Ohne die Verzerrung der Erdatmosphäre können sie Sterne bis in 10.000 Lichtjahren Entfernung hinreichend präzise erfassen. Doch es gibt unzählige Objekte, die noch viel weiter weg sind.

Dort greift die dritte Stufe der Entfernungsleiter: Die Bestimmung anhand der Helligkeit. Von weit entfernten Quellen erreicht uns weniger Licht als von nahen – zum einen, weil es etwa an Staub gestreut wird. Vor allem aber, weil bei Lichtquellen, die in alle Richtungen strahlen, die Helligkeit mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt. Um daraus auf ihre Distanz zu schließen, muss man aber natürlich ihre ursprüngliche Leuchtkraft kennen. Doch das tun wir bei den meisten Sternen, da sie alle bestimmten Sorten – von Blauer Riese bis Weißer Zwerg – zugeordnet werden können. Jede Sorte verfügt über eine bestimmte Leuchtkraft. Diese wissen wir, weil es davon genügend Kandidaten in unserer Nähe gibt, deren Entfernung wir per Parallaxe ermittelt haben.

 

Verschobenes Licht entfernter Galaxien

Bei weit entfernten Galaxien sind einzelne Sterne allerdings nicht zu unterscheiden. Dort dienen dann Sternenexplosionen eines bestimmten Typs – sogenannte Ia-Supernovae – als Maßstab. Diese explodieren immer mit der gleichen Leuchtkraft, die rund fünf Milliarden Mal stärker ist als die der Sonne. Die Lichtblitze lassen sich daher auch aus großer Entfernung noch gut erkennen und geben Aufschluss darüber, wie weit die Galaxie inklusive ihrer anderen Sterne entfernt ist, in der die Explosion stattfand.

Oder man bestimmt die Entfernung der Galaxie über ihre sogenannte Rotverschiebung: Nahezu alle Galaxien streben im expandierenden Universum voneinander weg – je weiter entfernt sie sind, umso schneller. Dadurch werden die Spektrallinien in ihrem Lichtspektrum Richtung Infrarot-Licht verschoben – ähnlich wie beim Dopplereffekt der Schall eines sich entfernenden Autos tiefer ist als der eines herannahenden – die Schallwellen werden gedehnt. Bei der Galaxie sind es die Lichtwellen. Je stärker die Verschiebung der Spektrallinien, desto weiter entfernt ist die Galaxie.

 

Schwarze Löcher erfordern indirekte Messungen

Wie aber sieht es nun mit Schwarzen Löchern aus? Diese leuchten ja nicht, weil ihre starke Gravitation nicht einmal Licht entkommen lässt.

Bei den großen Exemplaren, die in den Zentren anderer Galaxien sitzen, ist der Fall recht klar: Man misst die Distanz der Galaxie und erreicht damit eine hinreichend präzise Annäherung; denn ob ein Schwarzes Loch jetzt 100 Millionen Lichtjahre oder 100 Millionen plus 10.000 Lichtjahre entfernt ist, spielt in der Regel keine Rolle. Beim zentralen Schwarzen Loch unserer eigenen Galaxie misst man die Entfernung der Sterne, die es eng umkreisen. Diese lassen sich beobachten und über ihre Leuchtkraft taxieren.

Es gibt allerdings viel kleinere Schwarze Löcher, die durch unsere Galaxie vagabundieren; sie bleiben als Rest übrig, wenn große Sterne explodieren und ihr Kern dabei kollabiert. Ihre Entfernung zu messen, ist schwierig. Im Idealfall haben sie einen Begleitstern, der sich leicht bestimmen lässt. Ist das nicht der Fall, besteht die Option, das Gas zu vermessen, welches das Schwarze Loch einem Stern absaugt. Bevor das Gas verschluckt wird, rotiert es um das Loch wie das Wasser in der Badewanne, heizt sich dabei auf und emittiert starke Röntgenstrahlung. Diese können wir auf der Erde empfangen.

 

Schwarze Löcher haben Schluckauf

Beim Fressen des Gases verschluckt sich das Schwarze Loch ab und zu, es kommt zu besonders starken Röntgenausbrüchen, denen dann wieder ruhigere Phasen folgen. Aus dem Muster dieses Schluckaufs in Kombination mit der üblichen Leuchtkraft solcher sogenannter Akkretionsscheiben aus Gas lässt sich auf die Entfernung des Schwarzen Lochs schließen.

Es sollte allerdings auch Schwarze Löcher ohne Begleitstern geben. „Dafür wurde bislang erst ein möglicher Kandidat entdeckt“, sagt Eduardo Banados vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Man sei sich aber nicht einmal sicher bei der Entdeckung. Entsprechend habe man auch noch keinen Ansatz, wie die Entfernung zu messen wäre.

In dem seltenen Fall, dass sich zwei Schwarze Löcher treffen und vereinen, lässt sich ihre Entfernung auch aus den Gravitationswellen herauslesen, die das Ereignis aussendet. Die Form der Wellen zeigt, wie massiv die beteiligten Schwarzen Löcher sind. Und in Kombination mit der Stärke des Wellensignals lässt sich die Entfernung bestimmen.

 

Vor kurzem gelang es erstmals, ein Foto von einem Schwarzen Loch zu machen. Dieser Beitrag erklärt inklusive Video, wie das gelingen konnte.

 

Inspirierende Fragen

1 Artikel  ·  Umwelt, Klima, Erde, Universum
Anonym28.06.2022