Gesundes Leben, Medizin, Pflege

Wie kann man Frauen besser empowern, ihre Altersvorsorge selbst in die Hand zu nehmen?

21.12.2022
Kurz und knapp

Der Gender Pension Gap verweist auf die Rentenlücke zwischen den Geschlechtern. Frauen haben im Alter deutlich weniger Geld zur Verfügung als Männer. Welche Rolle Geldanlagen bei der Schließung dieser Lücke spielen und warum Frauen ihr finanzielles Selbstbewusstsein stärken sollten, erklärt die Finanzexpertin Dr. Birgit Happel.

Diese Frage aus dem IdeenLauf wurde von unserem Partner #InnovativeFrauen beantwortet. Mehr Informationen zu den Partnern des Wissenschaftsjahres 2022 finden Sie hier.

Zunächst sollten wir uns klar machen, dass die beste private Altersvorsorge ein durch die Übernahme von unbezahlter Fürsorgearbeit entgangenes Lebenserwerbseinkommen und damit auch erworbene Rentenansprüche nicht gänzlich kompensieren kann. Umso wichtiger ist es natürlich, frühzeitig selbst entgegenzusteuern.

Eine wichtige Stellschraube kann sein, sich einen positiven Blick auf Geld zu erlauben. Viele Frauen haben Sorge, dass sie mit ihrer Geldanlage am Kapitalmarkt das „falsche System“ unterstützen. Doch wie es der Verein zur Förderung ethisch-nachhaltiger Geldanlagen VenGa e.V. passend formuliert: „Geld wirkt immer“. Daher ist es auf alle Fälle besser zu schauen, wie man dem eigenen Geld eine gute Richtung geben kann. Der Markt für nachhaltige Geldanlagen wächst rasch. Und mit monatlichen Einzahlplänen für nachhaltige Investmentfonds gibt es einfache und gute Möglichkeiten, sukzessive fürs Alter vorzusorgen. Hierbei geht es auch um finanzielle Bildung, denn es gibt viele Börsenmythen, die ganz einfach zu widerlegen sind. Einer davon ist, dass die Börse sich nur für größere Beträge eignet. Michael Grote hat in einer Studie für die Deutsche Börse zum „Rätsel der Aktienmarktteilnahme in Deutschland“ treffend zusammengefasst: „Viele wissen nicht, dass man vieles nicht wissen muss“. Die Grundlagen des Vermögensaufbaus sind nicht schwer zu verstehen, man muss sich nur die Zeit nehmen, sich einmal damit auseinanderzusetzen – vor allem mit dem Zusammenhang von Ertrag, Risiko und Liquidität, der im sogenannten Magischen Dreieck der Geldanlage ausgedrückt wird. Auch die Kosten der Geldanlage sollten berücksichtigt werden, denn sie schmäleren selbstredend die Renditen. Anschließend ist es nicht nötig, täglich den Wirtschaftsteil der Zeitung zu lesen.

 

Fehlendes finanzielles Selbstvertrauen

Was stets an erster Stelle steht: das eigene finanzielle Selbstvertrauen zu stärken und sich im Vorfeld von Beratungsgesprächen gut selbst zu informieren. Denn auch, wenn es einen Financial Literacy Gender Gap gibt, also einen Unterschied in der finanziellen Bildung zwischen Frauen und Männern, so ist ein Teil davon auf fehlendes finanzielles Selbstvertrauen zurückzuführen. Frauen haben mehr Finanzwissen, als sie denken. Dass dieses Wissen häufig nicht aktiviert wird, hängt zum Teil mit tradierten Rollenbildern zusammen, aber auch mit unbewussten Vorurteilen von Seiten des Finanzsektors, die Frauen zu spüren bekommen.  Sie berichten immer wieder davon, dass sie sich in Beratungsgesprächen nicht wohl fühlen – keine gute Voraussetzung für eine vertrauensvolle Beziehung. Hierzu muss auch der Finanzdienstleistungssektor seinen Genderbias reflektieren. Inzwischen wächst aber das finanzielle Selbstbewusstsein von Frauen, weil sie erkennen, dass es sich bei der Geldanlage nicht um abgehobenes Spezialwissen handelt, sondern sie es sich selbst erschließen können. Dadurch wächst auch ihr Selbstvertrauen in Beratungsgesprächen – oder sie nehmen ihren Vermögensaufbau über Onlinebroker gleich selbst in die Hand. 

Schließlich müssen wir unsere persönliche Rentenlücke schließen. Bei der Geldanlage sind Frauen zwar gern sicherheitsorientiert, doch in ihren privaten Lebensmodellen stecken oft implizite Risiken, die es nicht außer Acht zu lassen gilt. Dass im Minijob selbst beim Entrichten der Sozialversicherungsbeiträge nur ein späterer Rentenanspruch von knapp fünf Euro monatlich erzielt wird, wird gern verdrängt. Deutschland bildet mit einem Gender Pension Gap von 46 Prozent das Schlusslicht aller OECD Staaten. Mit abweichenden Berechnungsgrundlagen misst die EU-Statistik einen Gender Pension Gap von 36 Prozent – aber auch hier liegen wir über dem europäischen Durchschnitt von 29 Prozent. In diesen Zahlen zeigt sich unter anderem die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit. Denn außer maximal drei Entgeltpunkten für die Erziehung eines Kindes erwerben Frauen mit unbezahlter Arbeit keine Ansprüche an die Sozialversicherung. Selbst wenn Mütter und Fürsorgeleistende ihre Erwerbsbiografie ohne größere Brüche aufrechterhalten können, wird man durch den künftigen Rückbau der Rentenversicherung nicht ohne eine zusätzliche private Altersvorsorge auskommen. Das ist eine Realität, die uns aufrütteln und auch ermutigen sollten, uns mit den eigenen Finanzen vielseitig auseinander zu setzen. Außerdem haben Frauen eine um fünf Jahre längere Lebenserwartung – ihre private Vorsorge muss also einen längeren Zeitraum abdecken. Ohne strukturelle Beschränkungen und persistente soziale Ungleichheit zu negieren: Frauen können ihre Geldbiografie selbst in die Hand nehmen und aktiv die Weichen für ein gutes Leben von morgen stellen.

 

Infotext zur Autorin:

Die Soziologin Dr. Birgit Happel setzt sich als Referentin, Trainerin und Finanzcoach für finanzielle Gleichstellung und finanzielle Bildung ein. Im Vorstand des Präventionsnetzwerks Finanzkompetenz, als Mitglied von UN Women und als Partnerorganisation der Initiative Klischeefrei liegt ihr die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen am Herzen.

Link zum Profil von Dr. Birgit Happel auf der Plattform #InnovativeFrauen

 

Über die Plattform #InnovativeFrauen

Die Plattform #InnovativeFrauen macht innovative Frauen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft sichtbar. Kernstück der Plattform ist eine Expertinnen-Datenbank, in die sich exzellente Wissenschaftlerinnen, Forscherinnen und Leistungsträgerinnen sowie junge, aufstrebende Innovatorinnen eintragen können. Die Plattform #InnovativeFrauen ist im Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. angesiedelt und wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderrichtlinie „Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation: Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern“ („Innovative Frauen im Fokus“) unter dem Förderkennzeichen 01FP21070 gefördert.

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