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Wie lässt sich der Gender Pay Gap verringern?

30.08.2022
Kurz und knapp

Ein Genderindex und anonyme Vorstellungsgespräche können dafür sorgen, dass sich die Gehälter von Frauen und Männern angleichen. Gut vorbereitet in Bewerbungsgespräche oder Gehaltsverhandlungen zu gehen, kann den Gender Pay Gap ebenfalls vermindern. Nicht zuletzt ist auch die Gesellschaft insgesamt gefragt, da manche typische Frauenberufe noch ein geringeres Ansehen genießen. Die Frage wurde von der Gewinnerin von „Die Fragenwette mit Margarethe Honisch“ eingereicht.

Vier Euro pro Stunde weniger für die Frau

18,6 Euro je Stunde verdient eine Frau hierzulande im Schnitt, ein Mann dagegen 22,78 Euro, also 18,3 Prozent mehr. Seit Jahrzehnten fällt der Verdienst von weiblichen Beschäftigten gegenüber ihren Kollegen weit zurück. Das Phänomen ist so allgegenwärtig, dass es als „Gender Pay Gap“ einen Namen hat.

Die Ursachen der Benachteiligung von Frauen sind vielfältig. Sie arbeiten vier Mal so häufig in Teilzeit wie Männer. Meist tun sie das, um neben ihrer Erwerbstätigkeit gleichzeitig der Care-Arbeit nachzugehen – sich also um Kinder, Haushalt und ggf. Eltern zu kümmern. Das aber „bestrafen“ Arbeitgeber, indem Teilzeitbeschäftigte und Frauen im Allgemeinen seltener aufsteigen und weniger verdienen. Ihr Lohn bleibt in der Folge über die Lebensspanne niedriger. Und auch bei gleicher Tätigkeit erhalten Frauen weniger Gehalt.

Wenn sich ungerechte Firmen outen müssten

Wie lässt sich der Gender Pay Gap auflösen? Dazu forscht die Professorin und Soziologin mit dem Schwerpunkt Arbeit, Geschlecht und soziale Ungleichheit, Annette von Alemann an der Universität Duisburg-Essen. Sie sieht mehrere Ansatzpunkte.

Als erstes Lohntransparenz: Bisher sind die geschlechtsbezogenen Daten zum Verdienst lückenhaft. Würden die Gehälter etwa mit einem Genderindex – ähnlich wie bestimmte Verantwortungs- oder Nachhaltigkeitskennzahlen bei börsennotierten Unternehmen – veröffentlicht werden, könnte das dem Gender Pay Gap entgegenwirken. „Wir sehen das daran, dass die 40 größten DAX-Konzerne einen etwas höheren Frauenanteil in den Vorständen haben als die übrigen DAX-Unternehmen“, sagt von Alemann. „Sie stehen stärker im Licht der Öffentlichkeit.“

Einen Genderindex einzuführen, wäre nicht sonderlich aufwändig: Die Gehälter abhängig vom Geschlecht sind in den Personalabteilungen bekannt. Es müssten allerdings auch Eingruppierung und Zuschläge berücksichtigt werden, betont von Alemann. Der Genderindex könne dann etwa bei der Vergabe von Subventionen, bei staatlichen Zuwendungen, Investitionen oder Krediten berücksichtigt werden. Ein Vorbild gibt es bereits: Schon heute orientieren sich Investmentfonds an Nachhaltigkeitsindizes. So fließen vor allem solchen Unternehmen vermehrt Finanzmittel zu, die gewissen Kriterien genügen. Ähnlich liefe es dann beim Thema Gendergerechtigkeit. Unternehmen würden mehr dafür tun, um Nachteile zu vermeiden. Der Index hätte also Lenkungswirkung, die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern würde sich verkleinern.

Plus für Frauen: Bewerben hinter einem Vorhang

Ein hilfreiches Instrument wären auch anonyme Bewerbungsgespräche. Die US-Ökonominnen Claudia Goldin und Cecilia Rouse konnten vor gut 20 Jahren bei Bewerbungsgesprächen für Symphonieorchester zeigen, dass mehr Frauen zum Zug kamen, wenn alle Bewerbenden hinter einem Schirm saßen und nicht sichtbar waren – also obwohl sie an der Stimme als Frau erkennbar waren. Männer werden offenbar schon wegen ihres äußeren Auftretens bevorzugt ausgewählt. Und dass, „obwohl Unternehmen mit einem höheren Anteil von Frauen im Management erfolgreicher sind – aufgrund der Kultur, die sie pflegen“, sagt von Alemann.

Frauenquote und Männer-Care-Arbeit

Auch eine Frauenquote kann Sinn ergeben. Für die Hochschulen wird zum Beispiel das so genannte Kaskadenmodell empfohlen, das auch bei der Deutschen Telekom unterhalb der Vorstandsebene angewandt wird. Der Anteil an Frauen in der gesamten Belegschaft muss sich demnach auf allen Hierarchieebenen widerspiegeln. Sind 30 Prozent der Beschäftigten weiblich, sollte auch im Management jede dritte Kraft weiblich sein.

Auf gesellschaftlicher Ebene brauche es zudem einen Wertewandel, argumentiert die Soziologin. Von Frauen ausgeübte Berufe werden schlechter bezahlt als typische „Männerberufe“. „Ein Informatiker verdient deutlich besser als eine Absolventin des Studiums Soziale Arbeit.“ Darin äußere sich nicht zuletzt die gesellschaftliche Wertschätzung. Daher müsse ein breiter Diskurs dazu führen, solche Ungleichheiten beim Image und der Entlohnung von Berufen abzubauen. Wenn Care-Arbeit als wertvoller gesellschaftlicher Beitrag anerkannt würde, und zwar gerade auch, wenn mehr Männer diese leisten, ließe sich eine gendergerechte Teilzeitbeschäftigung eher verwirklichen.

Wie Frauen souverän verhandeln

Frauen sollten sich vor jedem Bewerbungsgespräch und vor jeder Gehaltsverhandlung über die üblichen Gehälter für die jeweilige Tätigkeit informieren. Hilfreich ist es auch, sich eines möglichen Gender Pay Gaps im eigenen Beruf bewusst zu sein. Orientierung vermittelt die App: www.paygapapp.org

Wird ein niedrigerer Lohn angeboten, als für diese Tätigkeit üblich, rät von Alemann, die eigene Qualifikation und ihren Gewinn für das Unternehmen herauszustellen. Allerdings werde ein betont taffes Auftreten bei Frauen oft negativ gedeutet, wie die Forschung zeige – und das obwohl es bei Männern als Verhandlungsstärke ausgelegt werde. Daher empfiehlt von Alemann: Sicheres und freundliches Auftreten, authentisch bleiben, sei die beste Basis für eine gute Verhandlung, bei der die Bewerberin am Ende nicht über den Tisch gezogen wird.

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