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Wie sind Zahlen entstanden?

28.10.2022
Kurz und knapp

Vor Zehntausenden von Jahren nutzten Menschen wohl ihre Finger zum Zählen – und wenn das nicht ausreichte, machten sie Kerben in Tierknochen. Unser effizientes Dezimalsystem ist davon meilenweit entfernt und dennoch hat es sich über viele Zwischenschritte genau daraus entwickelt. Das heutige Zahlensystem wurde in Wesentlichen in Indien entwickelt.

Zahlen entstehen als Resultat einer langen Entwicklung

„Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht“, heißt es bei Leopold Kronecker, einem deutschen Mathematiker, der im 19. Jahrhundert gelebt hat. Karenleigh Overmann, die heute an der University of Colorado in Colorado Springs forscht, sieht das anders. Sie hat herausgefunden, dass komplexe Zahlensysteme in Gesellschaften auftauchten, die über viele materielle Reichtümer verfügten. Womöglich mussten sie gezählt werden, damit die Menschen den Überblick behielten. „Der Ursprung der Zahlen ist immer noch eine unbesetzte Nische in der Wissenschaft“, meint hingegen Russell Gray vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Im Rahmen des länderübergreifenden Forschungsprojekts Quanta versuchen er und andere Fachleute, Licht ins Dunkel zu bringen.

Fest steht bisher nur so viel: Wie wir heute zählen und Zahlen aufschreiben, ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Schon in der Steinzeit stellten Menschen Zahlen dar, indem sie auf Tierknochen oder Hölzern Einkerbungen hinterließen. Doch für sehr hohe Zahlen hätten sie sehr viele Kerben machen müssen. Sehr viel übersichtlicher ging es bei den alten Ägyptern zu. Vor zirka 6000 Jahren begannen sie Zehnerpotenzen zu verwenden, also Einer, Zehner, Hunderter, Tausender und hielten sie mit Hilfe bestimmter Symbole fest. Hunderttausend beispielsweise stellten sie mit einer stilisierten Kaulquappe dar, eine Million mit ihrem Gott der Unendlichkeit.

 

Vorläufer Babylon

Dieses System ist noch recht weit entfernt von den Zahlen, die wir heute nutzen. Doch schon die Babylonier, ebenfalls in der Antike zu verorten, gebrauchten Zahlen, die sie mit nur zwei Keilschriftzeichen darstellen, und die je nach Position Einer, Zehner oder Sechziger bedeuteten. Im Vergleich dazu waren die griechische und die römische Zahlenschrift ein Rückschritt. Die Griechen verwendeten sämtliche Buchstaben ihres Alphabets, um Zahlen auszudrücken, die Römer nutzten zwar weniger Zeichen, doch ihr System insgesamt war zu kompliziert. Für die Grundzahlen hatten sie nur drei Symbole I für 1, V für 5 und X für 10. Doch größere Zahlen mussten durch Addition und Subtraktion dargestellt werden.

Das war auf Dauer zu kompliziert. Die Inder vereinfachten die Sache wieder und schufen vor zirka 1500 Jahren unsere heutige Systematik, mit der es uns gelingt bei einer endlichen Anzahl von Ziffern, die je nach Position für Einer, Zehner, Hunderter stehen, für Tausender, Zehntausender und so weiter, jede Zahl bis ins Unendliche darzustellen. Die alten Inder wandten dieses System allerdings auf indische Ziffern an, bis heute haben sich in der westlichen Welt arabische Ziffern durchgesetzt.