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Wie viel Wissen passt in ein Gehirn?

19.04.2022
Kurz und knapp

Auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, dass uns der Kopf platzt: Das Gehirn ist nicht wie ein Koffer, in den man immer mehr hineinpackt und der sich dann erst ausbeult und irgendwann definitiv voll ist. Wie viel Wissen kann ein Gehirn also aufnehmen, gibt es da eine Grenze? Klar ist: Beliebig viel kann es nicht fassen. Wie viel genau, ist allerdings schwer zu messen.

Lernen geht (fast) immer

Im Verlauf des Lebens kann ein Gehirn immer weiter neue Eindrücke und neues Wissen aufnehmen, solange diese Fähigkeit nicht zum Beispiel durch eine Erkrankung zerstört wird. Wenn ein alter Mensch nur noch schwer eine neue Fähigkeit – etwa das Klavierspielen oder eine Fremdsprache – erlernen kann, liegt das nicht daran, dass sein Gehirn voll ist, sondern daran, dass das Gehirn mit Neuem nicht mehr so schnell zurechtkommt.

Allerdings kann ein Mensch nicht beliebig viel Wissen speichern. Das Gehirn hat sich nicht entwickelt, um viel Wissen über die Welt objektiv zu verwahren, sondern hält das bereit, was für einen Menschen in seinem individuellen Leben wichtig ist. Und so tritt, wenn der Mensch neues Wissen erwirbt, älteres, das nicht mehr aktiviert wird, in den Hintergrund, verblasst immer mehr und verschwindet schließlich. 

Wissen kann man schlecht messen

Wie viel Wissen ein Gehirn aufnehmen kann, kann man nicht konkret sagen. Zum einen, weil ganz unklar ist, wie man Wissen messen oder zählen könnte. Hat zum Beispiel eine Wissenschaftlerin mit einem Doktor in Physik und einem in Philosophie mehr Wissen als eine, die nur einen Doktor in Physik hat? Hat ein Mensch ohne eine formale Schulbildung weniger Wissen oder anderes Wissen? Und was ist überhaupt die Grundeinheit des Wissens: ein Satz, eine Theorie?

Zum anderen werden beim Erwerb von Wissen nicht einfach Fakten angehäuft. Vielmehr bildet das Gehirn im Laufe des Lebens und Lernens Strukturen und Strategien aus, die beim Weiterlernen helfen. So fällt Menschen, die schon eine Fremdsprache gelernt haben, der Erwerb der nächsten meist leichter. Eine umfassende Bildung verstopft das Gehirn also nicht, sondern hilft, neues Wissen einzuordnen und zu bewerten. Auch deshalb kann ein älteres Gehirn bei komplexen Aufgaben sehr gut abschneiden: Es hatte viel Zeit, Erfahrungen zu speichern und differenzierte Gedächtnis- und Bewertungsstrukturen auszubilden.

Das Gehirn ist keine Festplatte

Auch die „Speicherkapazität“ des Gehirns ist nicht leicht zu bestimmen, denn Wissen wird nicht in einzelnen Synapsen oder Neuronen gespeichert, sondern in Mustern, die sich über weitere Bereiche des Gehirns erstrecken können und synchron aktiv sind. Die Anzahl der theoretisch möglichen Muster ist bei etwa 80 Milliarden Nervenzellen und im Mittel 1000 Synapsen pro Nervenzelle gigantisch.

Werden solche Muster aktiviert, geschieht dies zudem nicht völlig unverändert, wie bei einem Text auf einem Blatt Papier, das man abheftet und später wieder hervorholt. Vielmehr werden Erinnerungen immer wieder im Lichte neuer Erfahrungen und neuen Wissens modifiziert.

Grenzen gibt es aber doch

Einer deutlich messbaren Beschränkung unterliegt das sogenannte Arbeitsgedächtnis. Wir können uns nicht mehr als etwa vier bis sieben Elemente zugleich merken und mit ihnen im Kopf jonglieren.

Zudem ist der Mensch nicht in der Lage, beliebig viel Wissen in beliebig kurzer Zeit aufzunehmen. Wenn man die Vorbereitung auf eine Prüfung auf den letzten Tag verschoben hat und dann versucht, das Pensum einer ganzen Woche aufzuarbeiten, kann es sein, dass das Gehirn nach einiger Zeit nicht mehr mitmacht. Nicht, weil es voll wäre, sondern, weil es Zeit braucht, Neues aufzunehmen und zu verarbeiten. Stürzt immer mehr auf einen Menschen ein, kommt es zu einer Informationsüberflutung.

Der Mensch kann in einem endlichen Leben kein unendliches Wissen erlangen. Dennoch muss niemand befürchten, dass sein oder ihr Gehirn irgendwann voll wäre.

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