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Fusion – Auf dem Weg zum Kraftwerk von morgen

Ein Beitrag von Armin Haase

Weltweit steigt der Bedarf an Energie, insbesondere in Form von elektrischem Strom. Forschungseinrichtungen und Unternehmen arbeiten an neuen Methoden, um unseren künftigen Strombedarf zu decken. Eine der Spannendsten ist die Fusion.

Was sind Atomkerne?

Wir und alle Dinge um uns herum sind aus Atomen aufgebaut. So nennt man jene winzigen Teilchen, deren Durchmesser ungefähr ein Millionstel des Durchmessers eines menschlichen Haares misst. Die Atome selbst bestehen wiederum aus zwei Teilen: Der Atomkern ist elektrisch positiv geladen. Er befindet sich im Zentrum und ist im Vergleich zum Atom selbst winzig klein, trägt dafür aber beinahe dessen gesamte Masse. Um den Atomkern herum befinden sich Elektronen, die eine elektrisch negativ geladene Atomhülle bilden.

Sind die Atomkerne eines Elements immer gleich aufgebaut?

Kaum vorstellbar, aber: Der Atomkern besteht aus noch kleineren Teilchen, den Protonen und den Neutronen. Protonen sind die Teilchen, durch die der Kern elektrisch positiv geladen ist. Neutronen hingegen haben keine elektrische Ladung, sie sind neutral. Kerne eines bestimmten chemischen Elements haben immer dieselbe Anzahl an Protonen. Alle Wasserstoffkerne beispielsweise verfügen über genau ein Proton, alle Heliumkerne über zwei. Was sich allerdings unterscheiden kann, ist die Anzahl der Neutronen. Kerne, bei denen die Anzahl der Protonen gleich, aber die Anzahl der Neutronen unterschiedlich ist, nennt man Isotope.

Warum leuchtet die Sonne?

Die Sonne ist – wie die meisten anderen Sterne auch – ein riesiger, sehr heißer Ball aus einem Gemisch aus Wasserstoff und Helium. Dieses Gemisch ist ein sogenanntes Plasma. Das heißt, es ist dort so heiß, dass Elektronen und Atomkerne voneinander losgelöst sind. Die positiv geladenen Atomkerne stoßen einander auch in einem Plasma ab. Durch die hohe Temperatur und den enormen Druck, die in der Sonne herrschen, verfügen sie aber über sehr viel Energie. Dadurch kommen sie immer mal wieder so dicht zusammen, dass zwei Wasserstoffkerne über mehrere Zwischenschritte zu einem Heliumkern verschmelzen. Eine solche Verschmelzung oder Fusion setzt Energie frei. Sie sorgt wiederum dafür, dass die Sonne so heiß ist, dass weitere Kerne verschmelzen können.

Wieso ist es so schwierig, die Sonne nachzubauen?

Wenn es auf der Erde gelänge, Fusionsprozesse verlässlich nachzumachen, stände der Menschheit eine bisher ungenutzte Energiequelle zur Verfügung. Drücke und Temperaturen wie in der Sonne unter irdischen Bedingungen zu schaffen, ist jedoch sehr schwer.

Warum lohnt sich die Fusionsforschung?

Dennoch arbeiten Forschungseinrichtungen und Unternehmen weltweit an der Entwicklung von Fusionskraftwerken. Dafür gibt es gute Gründe: Die mittels Fusion gewonnene Energie würde wenig Ressourcen verbrauchen. Ein Gramm Fusionsbrennstoff enthält etwa so viel Energie wie elf bis 13 Tonnen Kohle. Zudem setzt die Fusion kein CO2 frei, womit sie nicht zur Erderwärmung beiträgt und in dieser Hinsicht der Verbrennung von Kohle und Gas überlegen ist. Im Gegensatz zur Kernspaltung – umgangssprachlich meist Atomkraftwerke genannt – muss der radioaktive Abfall aus Fusionskraftwerken nur über 100 bis 200 Jahre und nicht über viele hunderttausende Jahre eingelagert werden.

Wie kann der Weg zum Fusionskraftwerk trotz aller Herausforderungen gelingen?

So extreme Drücke wie in der Sonne zu schaffen, ist auf der Erde kaum sinnvoll. Es gibt aber andere Ideen, wie wir die Fusion auch bei uns erfolgreich nutzen können. So ist es möglich, das Plasma in einem Kraftwerk auf gute 100 Millionen Grad Celsius aufzuheizen – deutlich mehr als das Sonneninnere mit seinen 15 Millionen Grad Celsius. Außerdem kann man statt des einfachen Wasserstoffes mit lediglich einem Proton im Kern, wie er überwiegend in Sternen vorliegt, die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium nutzen. Diese Isotope nennt man auch schweres bzw. überschweres Wasser. Der Kern des Deuteriums besitzt neben dem einen Proton noch ein Neutron, der des Tritiums sogar zwei.

Mit einem Deuterium-Tritium-Gemisch und 100 Millionen Grad Celsius kann Fusion stattfinden: Deuterium (ein Proton und ein Neutron) und Tritium (ein Proton und zwei Neutronen) verschmelzen zu Helium (zwei Protonen und zwei Neutronen). Ein Neutron bleibt also übrig. Es ist sehr schnell und kann gegen die Reaktorwand fliegen. Findet dieser Vorgang oft genug statt, heizt sich die Reaktorwand auf. Die Wärme, die sie abgibt, kann man zum Verdampfen von Wasser nutzen. Der Wasserdampf treibt eine Turbine an, die wiederum elektrischen Strom produzieren kann.

Welche grundlegenden technischen Ideen für die Fusion gibt es?

Um das Gasgemisch auf die nötigen Temperaturen und Drücke zu bringen, ist einiger Aufwand nötig. Zwei Möglichkeiten erscheinen derzeit besonders vielversprechend: die Magnetfusion und die Laserfusion.

Wofür braucht die Magnetfusion Magnetfelder?

Bei der Magnetfusion wird das Gasgemisch in einem Gefäß, dem sogenannten Reaktor, mithilfe von Mikrowellenstrahlen aufgeheizt. Allerdings darf das Plasma dabei nicht die Reaktorwand berühren. Erstens würde es die Wand zerstören, zweitens würde es dabei so stark abkühlen, dass keine Fusionsreaktionen mehr stattfinden können. Deshalb wird es mithilfe von sehr starken Magnetfeldern eingeschlossen und auf Abstand zur Wand gehalten.

Was beschießt man bei der Laserfusion mit Laserstrahlen?

Bei einem Laserfusionsreaktor ist die Idee, jede Zehntelsekunde ein wenige Millimeter großes, Deuterium und Tritium enthaltendes Kügelchen in den Reaktor einzuschießen. Dieses sogenannte Target beschießt man mit sehr starken Laserstrahlen, die es extrem aufheizen und zusammendrücken. In der Folge entstehen aus Deuterium und Tritium Helium und ein freies Neutron.

Im Dezember 2022 gelang es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Kalifornien (USA) mittels Laserfusion erstmals, mehr Energie aus einem Fusionsprozess zu gewinnen, als sie vorher mithilfe von Laserstrahlen hineingegeben haben. Dieser weltweit gefeierte Erfolg darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die elektrische Energie für den Betrieb der Laser immer noch sehr viel größer als die gewonnene Energie war.

Wird uns die Fusion in Zukunft mit Energie versorgen?

Lange Zeit schienen Fusionskraftwerke ein kühner Zukunftstraum zu sein. Zu groß waren die technischen und naturwissenschaftlichen Schwierigkeiten, die es noch zu überwinden galt. Vollständig gelöst sind sie auch heute nicht. Ihre Lösung ist jedoch in greifbare Nähe gerückt, sodass mittlerweile nicht nur Forschungseinrichtungen, sondern Unternehmen weltweit daran arbeiten, dass Fusionsenergie in absehbarer Zeit dazu beiträgt, dass Strom aus der Steckdose kommt.

Dr. Armin Haase

Dr. Armin Haase

Dr. Armin Haase

Physiker und Referent

Fusion