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Intelligente Stromnetze

Ein Beitrag von Dr. Eva Buchta

Was ist ein Smart Grid?

Smart Grids sind die Zukunft der Energieversorgung. Aber was ist nötig, damit Stromnetze intelligent, flexibel und nachhaltig funktionieren?

Ein Smart Grid ist ein Stromnetz, das durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Lage ist, Erzeugung und Verbrauch dynamisch aufeinander abzustimmen. Es verbindet klassische Netzkomponenten mit digitalen Mess-, Steuer- und Regelungssystemen. Ziel ist es, Netzstabilität, Effizienz und Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Technische Herausforderungen: Umrichter und Netzstabilität

Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist der Umstieg von konventionellen Kraftwerken auf Erneuerbare Energien. Während klassische Kraftwerke durch rotierende Generatoren eine natürliche Trägheit ins Netz einbringen und so zur Frequenzstabilität beitragen, speisen Photovoltaik- und Windkraftanlagen ihren Strom über Umrichter ein. Den Umrichtern fehlt jedoch diese stabilisierende physikalische Eigenschaft.

Um dem entgegenzuwirken, braucht es neue technische Lösungen: Netzbildende Umrichter können aktiv Frequenz und Spannung stabilisieren, virtuelle Kraftwerke bündeln dezentrale Anlagen und steuern sie netzdienlich, und Batteriespeicher oder flexible Verbraucher stellen schnelle Regelreserven bereit. Damit diese Technologien ihre Wirkung entfalten können, müssen sie flächendeckend erprobt, standardisiert sowie systematisch in die Netzplanung und in den Netzbetrieb integriert werden.

Regulatorischer Rahmen: Investitionen ermöglichen

Ein zukunftsfähiges Smart Grid erfordert nicht nur technologische Innovationen, sondern kann nur mit einem passenden regulatorischen Rahmen entstehen. Bisher fokussiert die sogenannte Anreizregulierung die Investitionsmöglichkeiten der Netzbetreiber noch zu wenig auf digitale Technologien. Sie setzt damit keine ausreichenden Anreize für die notwendigen innovativen Lösungen.

Um den Umbau zu beschleunigen, müssen Investitionen in Digitalisierung, Automatisierung und Flexibilitätsoptionen gezielt gefördert werden. Gleichzeitig braucht es neue Marktmechanismen, die die Nutzung von Flexibilität – etwa durch Speicher oder steuerbare Lasten – wirtschaftlich attraktiv machen. Auch der Umgang mit Energiedaten muss klar geregelt sein, um Innovationen zu ermöglichen und gleichzeitig Datenschutz zu gewährleisten. Verbindliche Standards und Schnittstellen sind notwendig, damit verschiedene Systeme und Akteure reibungslos zusammenarbeiten können.

Daten als Schlüssel: Mehr als nur Smart Meter

Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg intelligenter Stromnetze liegt in der Nutzung von Daten – und zwar weit über die Smart Meter hinaus. Auch Daten aus Photovoltaik-Anlagen, Batteriespeichern, Wärmepumpen, Elektrofahrzeugen oder Industrieanlagen sowie direkt aus den Ortsnetzstationen bieten wertvolle Informationen für die Netzführung. Damit alle diese Daten genutzt werden können, braucht es Anreize für Betreiber dezentraler Anlagen, ihre Informationen bereitzustellen – etwa durch finanzielle Vorteile oder regulatorische Erleichterungen.

Gleichzeitig müssen vertrauenswürdige Datenplattformen geschaffen werden, die verschiedene Quellen sicher und standardisiert integrieren. Klare Governance-Strukturen sind dabei unerlässlich: Wer darf welche Daten wie nutzen? Nur wenn diese Fragen transparent geregelt sind, kann eine datenbasierte Netzautomatisierung gelingen.

Konkrete nächste Schritte

Um die Vision eines intelligenten Energiesystems in Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen, sind konkrete Maßnahmen erforderlich. Ein notwendiger Schritt ist der beschleunigte Rollout intelligenter Managementsysteme, die nicht nur den Energieverbrauch erfassen, sondern auch aktiv zur Netzsteuerung beitragen können. Darüber hinaus müssen jedoch auch Pilotprojekte für netzbildende Umrichter gefördert werden, um deren Integration in die Netze unter realen Bedingungen zu erproben und die Sicherstellung der Systemstabilität zu gewährleisten. Reallabore spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie neue Technologien praxisnah testen und wertvolle Erkenntnisse für den flächendeckenden Einsatz liefern.

Gleichzeitig kommt es darauf an, die Anreizregulierung zu reformieren, um Investitionen in Digitalisierung und Automatisierung wirtschaftlich attraktiv zu machen. Auch der Aufbau sektorübergreifender Datenplattformen, die Strom-, Wärme- und Verkehrsdaten zusammenführen, ist entscheidend. Nur so können wir Synergien nutzen und die Energiewende ganzheitlich gestalten. Schließlich müssen die Strompreise auch für Mittelstand und Haushalte dynamisch werden, damit sich ein funktionierender Flexibilitätsmarkt entwickeln kann, der das volle Potenzial vorhandener dezentraler Energiequellen erschließt.

Ein Smart Grid ist also mehr als nur ein digitalisiertes Stromnetz – es ist das Rückgrat einer klimaneutralen, sicheren und wirtschaftlichen Energieversorgung. Damit Deutschland dieses Ziel erreicht, braucht es nicht nur technologische Innovationen, sondern auch mutige regulatorische Reformen, neue Marktmechanismen und eine Kultur der Datennutzung. Nur so kann das Stromnetz der Zukunft wirklich „smart“ werden.

Dr.-Ing. Eva Buchta

Dr.-Ing. Eva Buchta

Dr.-Ing. Eva Buchta

Dr.-Ing. Eva Buchta arbeitet als Research Scientist bei der Siemens AG im Technologiefeld Sustainable Energy and Infrastructure. Ihre Schwerpunkte sind Stromnetze, intelligente Verteilnetze, Zustandsschätzung sowie optimale Messstellenplatzierung. Sie trägt den Siemens Award für die Erfinderin des Jahres 2024 in der Kategorie PhD: Neuronales Netz zur Zustandsschätzung – Siemens DE. Außerdem leitet sie das Cluster „Intelligente Niederspannungsnetze“ im Kopernikus-Projekt ENSURE.

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