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Pflanzen unter Strom – Mit Solarmodulen die Landwirtschaft klimafit machen

Ein Beitrag von Dr. Matthias Meier-Grüll

Einleitung

Stürme, Dürre, Hitze – die Landwirtschaft steht unter Druck. Zunehmend leiden Pflanzen unter extremen Wetterereignissen. Und auch der Platz wird knapp: Gewerbegebiete und große konventionelle Solarparks konkurrieren mit Feldern um wertvolle Fläche. Eine Lösung, die beide Probleme angehen kann, heißt Agri-Photovoltaik.

 

Wie sieht Agri-Photovoltaik aus?

Agri-Photovoltaik – kurz Agri-PV – kombiniert Solarenergie und Landwirtschaft auf derselben Fläche. Das sieht je nach Anbausystem unterschiedlich aus. Im Obstbau bilden Solarmodule beispielsweise schützende Dächer für Beeren und Äpfel. Im Ackerbau stehen sie dagegen senkrecht als Solarzäune auf dem Feld, und zwar so, dass zwischen ihnen noch große Erntemaschinen hindurch fahren können. Eine dritte Variante sind bewegliche Modultische, die sogenannten PV-Tracker, die sich mit der wandernden Sonne im Tagesverlauf drehen. Im Vergleich zu fest installierten Systemen können sie so noch mehr Strom erzeugen. Auch die PV-Tracker lassen sich so einstellen, dass Maschinen durch die Modulreihen fahren können.

Außerdem können die Solarmodule in bestimmten Wachstumsphasen, in denen die Pflanzen viel Licht brauchen, in Gegenrichtung zur Sonne gedreht werden, sodass der Pflanze das volle Licht zur Verfügung steht. All diese Agri-PV-Typen sind heute in der Praxis zu finden und werden zum größten Teil durch verschiedene Forschungsteams, zum Beispiel vom Forschungszentrum Jülich, begleitet.

Welche Vorteile bietet die Agri-Photovoltaik?

Durch die doppelte Flächennutzung können Strom und Nahrungsmittel gleichzeitig geerntet werden. Doch das ist nicht der einzige Vorteil, denn es geht bei Agri-PV nicht nur um Strom. Die Pflanze und ihre Gesundheit stehen im Vordergrund der Agri-PV-Technologie. Die Systeme werden heute so entwickelt, dass sie Beeren, Äpfel, Ackerbohnen oder auch Getreide vor extremen Wetterereignissen schützen. So dienen Solardächer beispielsweise als Hagelschutz oder vertikale Solarzäune als Windbrecher, damit Getreidehalme bei Sturm nicht abknicken. Kluge Designs können Pflanzen somit vor starken Wetterereignissen, die durch den Klimawandel verursacht werden, schützen.

Aber das ist immer noch nicht alles: Agri-PV-Systeme können als Teil eines intelligenten Wassermanagements dienen. Über die Photovoltaik-Dächer wird Regenwasser eingesammelt und an ein zentrales Speicherbecken geleitet. Von dort wird die Pflanze dann effizient bewässert, und zwar dann, wenn sie Wasser zum Wachstum benötigt, und dort, wo sie es braucht: an der Wurzel. Die Agri-Photovoltaik wirkt also nicht nur der Flächenkonkurrenzen in der Landwirtschaft entgegen, sondern kann gleichzeitig Anbausysteme verbessern.

Was die Forschung zeigt

Seit einigen Jahren wächst die Agri-PV-Forschungsgemeinschaft in Deutschland und international, um die offenen Fragen der Technologie zu adressieren. So arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Pflanzenwissenschaften am Forschungszentrum Jülich an der Frage, welchen Einfluss das Mikroklima – also Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichtverhältnisse direkt in Bodennähe – in Agri-PV-Anlagen auf die Photosynthese der Pflanzen hat. Die Forschungsgruppe konnte in ihren Experimenten zeigen, wie sich beispielweise der Chlorophyll-Gehalt – also der grüne Farbstoff im Blatt– unter Agri-PV ändert, da Pflanzen sich an verschattete Umgebungen anpassen.

Forschende sind sich weltweit darüber einig, dass wir Anbaumethoden an das Mikroklima in Agri-PV anpassen müssen: Unter Solardächern verdunstet weniger Wasser von den Blattoberflächen, weshalb wir auch weniger bewässern müssen. Im Obstbau können wir den Einsatz von Pestiziden deutlich reduzieren. Auch die Solarmodule profitieren: Sie bleiben durch die Pflanzen unter ihnen kühler und arbeiten dadurch effizienter – ergo erzeugen sie mehr Strom. Kurz gesagt: Die Agri-PV-Technik muss in jeder Klimazone und mit jedem Boden fein abgestimmt sein, damit Pflanze und Solarenergie optimal miteinander funktionieren.

Vom Versuchsfeld ins Regelwerk

Bevor Solarmodule über Apfelbäumen oder Getreidefeldern aufgestellt werden dürfen, braucht es klare und verlässliche Spielregeln. In Deutschland beschreibt die DIN Vornorm, die DIN SPEC 91434, wie Agri-PV-Anlagen aufgebaut sein müssen und worauf Genehmigungsbehörden bei neuen Projekten achten müssen. Sie ist Grundlage für die Regelung beispielsweise im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Baugesetzbuch oder bei der Bundesnetzagentur, um Projektvorhaben zu bewerten. Die Forschungsgemeinschaft, darunter das Forschungszentrum Jülich, bringt ihr Wissen aus Forschung und Praxis direkt in diese Regelungen ein. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beraten Behörden, unterstützen bei der Bewertung von Projekten und sorgen dafür, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aus Versuchsfeldern unmittelbar in die Planung neuer Anlagen einfließen.

Mit dieser Kombination aus Forschung, Normung und Beratung wird Agri-PV für Nutzerinnen und Nutzer überhaupt erst attraktiv: Sie können sich auf klare Standards stützen, Projekte sicher planen und Fördermöglichkeiten besser nutzen. Das deutsche Vorgehen gilt mittlerweile als Vorbild für andere Länder – ein wichtiger Schritt, damit Agri-PV weltweit Wurzeln schlagen kann.

Dr. Matthias Meier-Grüll

Dr. Matthias Meier-Grüll

„Im Jahr 2020 bin ich als Photovoltaik-Wissenschaftler in das Institut für Pflanzenwissenschaften gewechselt, mit vielen Kolleg:innen aus anderen, für mich neuen Disziplinen. Hier erlebe ich interdisziplinäres Forschen zwischen Energie und Bioökonomie. Ich genieße den wertvollen Blick aus unterschiedlichen Perspektiven, der unser Team zu tollen Erfolgen und Erkenntnissen führt.“

Forschung aus Jülich in Agri-PV-Systemen kombiniert Landwirtschaft und erneuerbare Energien auf effiziente Weise. Mehr darüber erfahren Sie hier.

Aufgabenfelder/Forschungsfeld: Wissenschaftler und Koordinator Agri-PV im Forschungszentrum

Forschung für erneuerbare Energien