Bei der Planung, Genehmigung und Akzeptanz von Windparks steht das Thema Lärm häufig im Fokus. Moderne Rotortechnologien ermöglichen bereits den leisen und effizienten Betrieb von Windrädern. Haben wir das Optimum erreicht?
Viel Lärm um Nichts?
Leise Windturbinen
Ein Beitrag von Michaela Herr

Viel Lärm um Nichts? Leise Windturbinen
Leiser und effizienter Windpark
Für den Schall von Windkraftanlagen ist hauptsächlich das Umströmungsgeräusch der Rotorblätter verantwortlich. Reduziert man ihre Geschwindigkeit, reduziert man auch den Schall. Das vermindert jedoch die jährliche Energieproduktion und erhöht die Kosten. Die Konstruktion geräuscharmer Windturbinen ermöglicht es, Schallerzeugung auch bei höheren Geschwindigkeiten zu kontrollieren – und die Kosten der Windstromerzeugung weiter zu senken.
Neueste technologische Entwicklungen sind hierbei geräuscharme Flügelprofile und Sägezähne nahe den Rotorblattspitzen, sogenannte Serrations.

Wo genau entsteht der Schall?
Forschung und Entwicklung konzentrieren sich meist – insbesondere bei der Verwendung von Serrations – auf den breitbandigen Schall der Blatthinterkante, der als dominante Schallquelle gilt. Der Schall entsteht direkt an der Kante, wo kleinste Verwirbelungen in der oberflächennahen Strömungsgrenzschicht von der Blattoberfläche freigesetzt werden.

Wo genau entsteht der Schall? (Fortsetzung)
Darüber hinaus treten weitere aerodynamische Schallquellen auf: Vorderkantengeräusch entsteht bei der Interaktion des Rotorblatts mit atmosphärischer Einströmturbulenz. Druckausgleichswirbel verursachen Geräusche an der Blattspitze. Auch unerwünschte Strömungsablösungen und die Passage des Rotorblatts am Turm tragen zur Schallemission bei. Durch Reduktionen des Umströmungsschalls kann in bestimmten Fällen der Maschinenschall (z. B. von Getrieben, Generatoren oder Kühlsystemen) stärker in den Vordergrund treten.
Die Bedeutung der Schallquellen variiert im Betrieb der Anlage. Dabei können Off-Design-Schallquellen auftreten, die in der Entwicklung nicht erwünscht waren.
Wer bestimmt die Musik?
Das Rotordesign und die Betriebsführung bestimmen, ähnlich wie Komponist und Kapellmeister, die aerodynamische und aeroakustische Performance der Windenergieanlage im Park. Wechselnde Umwelteinflüsse, wie Wetter, Verschmutzung oder Erosion der Blätter, können zu Abweichungen von den erwarteten Werten führen.
Der Schall von Windturbinen ist also komplex und multiphysikalisch. Seine Beschreibung umfasst sowohl Längen- als auch Zeitskalen über mehrere Größenordnungen – von Millisekunden bis zu Jahren. Dabei spielen Strömungsstrukturen im Millimeterbereich ebenso eine Rolle wie Satellitendaten für Windvorhersagen über hunderte Kilometer. Forschung und Entwicklung müssen sowohl für die Quellbeschreibung als auch für die Schallausbreitung die stets wechselnden Randbedingungen beachten.
Vorhersagen aus dem Virtuellen Windpark

Das Verständnis der gesamten Kette ist entscheidend für die Vorhersage der genehmigungsrelevanten Immissionspegel. Unsere Vorschriften sind bewusst streng gewählt: Nachts gelten in deutschen Wohngebieten Immissionsrichtwerte von 35 dB(A), was etwa dem Blätterrauschen der Vegetation entspricht.
Die verwendeten Berechnungsmodelle basieren oft auf empirischen oder halb-analytischen Methoden, die für Standardbedingungen gut funktionieren. Bei bestimmten Geländeformen und atmosphärischen Bedingungen können sie aber ungenau sein. Die hohen Sicherheitsfaktoren in der Planung führen dazu, dass Ausbaupotentiale nicht optimal ausgeschöpft werden können.
Numerische Methoden, um die Vorhersage von Schallimmissionen zu verbessern, sind auf dem Vormarsch. Aktuell finden sie sich jedoch noch überwiegend in der akademischen Welt. Virtuelle Windparks sollen in Zukunft den gesamten Weg von der Schallentstehung bis zur menschlichen Wahrnehmung abbilden – und dabei klare Maßstäbe zur Bewertung der Lästigkeit einbeziehen. Die Industrialisierung solcher Methoden kann dazu beitragen, Unsicherheiten zu verringern und Planungen effizienter zu gestalten.
Was bringt die Zukunft?
Klagen von Anwohnerinnen und Anwohnern haben wiederholt zum Stopp wichtiger Windenergieprojekte geführt. Geräuscharme Windkraft ist damit ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Energiewende.
Die Forschung arbeitet daher kontinuierlich daran, die Wirtschaftlichkeit und die Akzeptanz der Windstromerzeugung zu steigern. Die schiere Größe moderner Windkraftrotoren erfordert im Zuge des Repowerings (Ersatz alter durch neue Anlagen) auch die kontinuierliche Skalierung wirksamer Geräuschminderungsmaßnahmen, damit Konflikte gar nicht erst entstehen.
Gezielte Simulationen und Experimente sind wichtige Voraussetzungen für die weitere Erforschung und Entwicklung geräuscharmer Windkraftanlagen. Aufgrund der großen Bandbreite an Skalen und parametrischen Abhängigkeiten werden auch in Zukunft noch Einzelkomponenten unter kontrollierten Umgebungen im Windkanal untersucht.
Der Forschungspark Windenergie WiValdi im Norden Deutschlands bietet eine einzigartige Forschungsinfrastruktur für gesamtsystemische Untersuchungen. Dank der umfangreichen Sensorinstrumentierung lassen sich die multidisziplinären Zusammenhänge auf höchstem wissenschaftlichen Niveau unter realen Randbedingungen erfassen. In den kommenden Jahren können wir also mit vielen neuen Erkenntnissen rechnen.

Dr. Michaela Herr: Porträt

Dr. Michaela Herr
Dr. Michaela Herr ist Leiterin der Abteilung Windenergie im Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig. Zu ihren Themenfeldern gehören Windenergie, Aerodynamik, Aeroakustik, Geräuschminderungstechnologie, Strömungskontrolle, numerische Strömungs- und Aeroakustiksimulationen, Windkanalexperimente sowie Feldversuche u.a. im Forschungspark Windenergie.
Die Autorin dieses Artikels hat Jahre ihres Lebens im akustischen Windkanal verbracht, um im Rahmen ihrer Dissertation Abströmkanten von Flugzeugtragflächen und Windenergierotorblättern zu „frisieren“. Die von ihr untersuchten Hinterkantenbürsten als hochwirksame Serration-Alternative müssen sich unter den komplexen Randbedingungen des Feldversuchs noch bewähren. Wir bleiben dran.
Forschung für erneuerbare Energien