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„Es ist großartig, wenn auf Grundlage der eigenen Forschung am Ende ein Produkt entsteht“

Einleitung

Prof. Dr.-Ing. Sabrina Zellmer von der Technischen Universität Braunschweig, Institut für Partikeltechnik (iPAT), und dem Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST) begeistert es, wenn der Transfer von Forschungsergebnissen in die Anwendung gelingt. Dabei möchte sie selbst ein Vorbild für junge Forscherinnen sein. 

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag für Sie aus?

Einen klassischen Arbeitsalltag habe ich nicht, weil meine Aufgaben so vielfältig sind. Ich bin Professorin am Institut für Partikeltechnik der Technischen Universität Braunschweig. Seit meinem Start im Jahr 2023 haben wir dort einen neuen Bachelorstudiengang für Batterie- und Wasserstofftechnologien ins Leben gerufen und jetzt folgt ein passender Masterstudiengang. Während des Semesters halte ich Vorlesungen und diskutiere mit meinen Studierenden deren Forschungsthemen. 

Zusätzlich bin ich stellvertretende Institutsleiterin am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST – ebenfalls in Braunschweig. An beiden Einrichtungen gestalte, beantrage und setze ich Projekte um, nehme an Gremien teil, die ganz unterschiedliche Themenfelder zusammenführen, und leite verschiedene Teams. Unsere Forschungsergebnisse stellen wir natürlich auch auf Konferenzen vor. Darüber hinaus versuche ich regelmäßig im Labor vorbeizuschauen. Allerdings fehlt mir inzwischen leider die Zeit, um dort wirklich mitzuarbeiten.

Wie sind Sie dorthin gekommen, wo Sie heute beruflich stehen? Was reizt Sie daran, gleichzeitig an der TU Braunschweig und am Fraunhofer IST zu arbeiten?

Ich war schon in der Schule stärker an naturwissenschaftlichen Fächern interessiert als an anderen Fächern. Deshalb habe ich  Bioingenieurwesen mit dem Schwerpunkt mechanische Verfahrenstechnik studiert. Nach meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin war ich sechs Jahre lang bei der Fraunhofer-Gesellschaft tätig, bis ich 2023 als Professorin an die Universität Braunschweig berufen wurde. 

Ich finde es spannend, das Wissenschaftssystem aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Beide Einrichtungen zahlen auf das gleiche übergeordnete Ziel ein, die Ausrichtung unterscheidet sich jedoch. Der Fokus an der Universität liegt stärker auf der Grundlagenforschung, wohingegen am IST die angewandte Forschung im Vordergrund steht. Das birgt großes Potenzial. So kann ich meine Kontakte von der Universität und vom Fraunhofer IST nutzen, um Kompetenzen zu bündeln und Themen gemeinsam voranzutreiben. 

Was hat Sie dazu bewegt, sich auf Ihren Fachbereich zu spezialisieren? Was finden Sie an den Themenfeldern Batterie und Wasserstoff besonders spannend?

Meine Spezialisierung auf Batterie- und Wasserstoffthemen entstand aus der Partikeltechnik. Während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin haben wir diese Technologie in unterschiedlichen Anwendungsfeldern untersucht – unter anderem entlang der Batterieprozesskette. So bin ich thematisch tiefer in die Batterietechnologie eingestiegen. Meine Aktivitäten im Bereich Wasserstoff kamen später am Fraunhofer IST dazu. Wir arbeiten hier in enger Kooperation mit Partnern aus der Stadt und Region rund um Braunschweig, der Politik sowie der Wirtschaft an der Weiterentwicklung der großindustriellen Anwendung von Wasserstoff, zum Beispiel am Wasserstoff Campus Salzgitter e.V. 

Genau das macht mir an meiner Arbeit besonders viel Spaß. Unsere Projekte sind in einem größeren Ökosystem verankert. Das betrifft zum einen die interdisziplinären Teams, aber auch die enge Zusammenarbeit mit den Industriepartnern. Es ist wichtig, dass wir die Bedarfe der Region im Blick haben. Mich motiviert es, den Transfer der Wissenschaft in die Praxis zu berücksichtigen und mitzuerleben. Es ist großartig, wenn auf Grundlage der eigenen Forschung am Ende ein Produkt entsteht.

Welche Rolle spielen Batterien und Wasserstoff aus Ihrer Sicht für die Energieversorgung der Zukunft?

Batterien und Grüner Wasserstoff sind für mich ganz klar Schlüsseltechnologien, wenn wir die Energie- und Mobilitätswende erfolgreich vorantreiben wollen. Beide Technologien dienen der Energiewende und dem klimaneutralen Umbau von Industrie, Mobilität und Energieversorgung. Wir arbeiten an alternativen Batterietechnologien, die kostengünstiger und nachhaltiger sind. Und wir prüfen, welche Batterieform für welchen Anwendungsfall besonders geeignet ist. 

Im Bereich Wasserstoff beschäftigt uns insbesondere, wie Grüner Wasserstoff in ausreichend großen Mengen zur Verfügung gestellt und sicher transportiert werden kann. In Braunschweig liegt zudem ein Schwerpunkt auf der Produktionsforschung für Elektrolyseure und Brennstoffzellen – unter ökonomischen wie ökologischen Gesichtspunkten. Denn wir wollen die Technologien nicht nur entwickeln, sondern auch in die Anwendung bringen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten wissenschaftlichen Herausforderungen im Bereich Batterien und Grüner Wasserstoff – und wie bereiten Sie Ihre Studierenden darauf vor?

Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass technologische Innovationen auch zukünftig in Deutschland und Europa möglich sind. Dafür ist es notwendig, die relevanten Anlagen, Infrastrukturen und Produktionsprozesse selbst zu entwickeln und auszugestalten. In den vergangenen Jahren konnten wir erfolgreich Innovationen nicht nur aus der Großindustrie, sondern auch aus dem Mittelstand generieren – das sollten wir auch in Zukunft in den Fokus rücken. 

Schon heute gibt es gute Initiativen, die den Übergang von der Grundlagenforschung in die skalierte Forschung bis hin zur industriellen Umsetzung in den Blick nehmen – darunter zum Beispiel unsere Battery LabFactory Braunschweig oder der Wasserstoff Campus Salzgitter e.V. Diese Herangehensweise ermöglicht unseren Studierenden eine realitäts- und praxisnahe Ausbildung. Sie arbeiten bereits während des Studiums und der Promotion an Forschungsanlagen mit, nehmen an Praktika, Exkursionen und Planspielen teil und bekommen auf diese Weise früh einen guten Einblick in ihren späteren Arbeitsalltag. Dieser Fokus auch auf die junge Generation bildet eine exzellente Grundlage, um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen.

Welche Rolle spielten Vorbilder für Ihre Berufswahl?

Bei meiner Studienwahl wurde ich nicht durch eine bestimmte Person beeinflusst. Zu Hause wurde ich immer in meinen Interessen bestärkt. Und auch im Laufe meiner wissenschaftlichen Karriere gab es viele Menschen, die mich geprägt haben – oftmals Männer. Das möchte ich positiv betonen, weil sie mir nie vermittelt haben, zwischen Frauen und Männern zu unterscheiden. 

Gleichzeitig habe ich bei Bewerbungen auf den Websites geschaut, mit welchen Kolleginnen und Kollegen ich zusammenarbeiten würde. Dabei habe ich mich schon manchmal gefragt: Gibt es auch weibliche Mitarbeitende? Das geht vermutlich auch meinen Studierenden so. Deshalb ist es mir wichtig, Frauen in der Wissenschaft sichtbarer zu machen und so Vorbilder zu schaffen.

Das heißt, Sie haben in Ihrer beruflichen Laufbahn keine geschlechtsbezogenen Rollenbilder erlebt?

Ich habe im weiteren beruflichen Umfeld sowohl Unterstützung als auch Klischees erlebt. Und ja, geschlechtsbezogene Sprüche kommen leider vor. Wichtig war und ist für mich, dass ich an den Einrichtungen, an denen ich arbeite, Rückhalt erfahre. Dort zählt meine Leistung. Das hat mich immer bestärkt, mich nicht einschüchtern zu lassen. Heute sehe ich es auch als meine Aufgabe, solche Situationen nicht durchgehen zu lassen – als Vorbild für meine Studierenden und mit der klaren Botschaft: Das ist nicht in Ordnung.

Was würden Sie jungen Frauen raten, die später in den Naturwissenschaften arbeiten möchten?

Ich kann junge Frauen nur ermutigen, diesen Weg zu gehen, weil der Bereich sehr vielfältig ist und viele Möglichkeiten bietet, die eigenen Stärken einzubringen. Unabhängig vom Geschlecht können wir gemeinsam daran arbeiten, Themenfelder voranzutreiben. Außerdem sollten wir nicht nur nach Vorbildern suchen. Wir können in jeder Situation versuchen, selbst Vorbild zu sein. Davon profitieren wir alle.

Haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn geschlechtsbezogene Rollenbilder erlebt?

Leider ja. Ich würde gerne behaupten, dass das kein Thema mehr ist. Tatsache ist aber, dass ich mein Fachwissen oftmals unter Beweis stellen musste. Vielleicht wäre meine Kompetenz an manchen Punkten in meiner Karriere gar nicht erst infrage gestellt worden, wenn ich ein Mann wäre. Häufig komme ich außerdem in die Situation, dass ich als einzige Frau unter 30 Männern in Meetings sitze. Grundsätzlich sehe ich diese Tatsache aber weder als Chance noch als Bürde an. Wichtig ist, neben Fachwissen auch die nötigen Soft Skills zu erlernen – sich durchzusetzen, sich Gehör zu verschaffen und durch die Schulung der eigenen Kommunikationsfähigkeiten auf Augenhöhe mitsprechen zu können. Aber ich liebe Herausforderungen, deshalb stelle ich mich dem auch immer wieder gerne.

Was würden Sie jungen Frauen raten, die später in den Naturwissenschaften arbeiten möchten?

Dass wir die gleichen Veranlagungen und das gleiche Potenzial wie Männer haben. Wenn wir auf etwas Lust haben, können wir es genauso weit bringen wie sie. Ich bin fest davon überzeugt, dass nicht die Gene oder das Geschlecht entscheidend sind, sondern die Leidenschaft, die in uns steckt. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, woran man wirklich Freude hat. Niemand sollte sich auf einen Karriereweg drängen lassen, nur weil es die Gesellschaft so von einem erwartet.