Häufig sitzt Dr.-Ing. Saskia Wessel, Bereichsleiterin „Produkt- und Produktionstechnologie“ der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB, als einzige Frau unter 30 Männern im Meeting. Wir haben mit ihr über ihre Vision für Forscherinnen im Batteriebereich und ihren eigenen Werdegang gesprochen.
„Ich würde gerne eine Frauenquote von 50 Prozent in meinem Team erreichen“
Einleitung
Woran arbeiten Sie? Und wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht die Frage, wie sich Batteriezellen möglichst nachhaltig und effizient herstellen lassen. Übersetzt bedeutet das, möglichst wenig Ressourcen zu nutzen und gleichzeitig eine möglichst hohe Menge an Batterien zu produzieren. Mein Arbeitsalltag sieht sehr abwechslungsreich und bunt aus. Ich arbeite in einem interdisziplinären Team mit Expertinnen und Experten aus vielen verschiedenen Bereichen. Mit Informatikerinnen und Informatikern spreche ich zum Beispiel über die Digitalisierung der Batterieproduktion. Mit Bauingenieuren und -ingenieurinnen arbeite ich daran, eine ideale Fabrikstruktur zu entwickeln. Ein wesentlicher Bestandteil meines Alltags ist Kommunikation. Ich sorge dafür, dass relevante Informationen zur richtigen Zeit bei den verschiedenen Personen ankommen.

Welche Rolle spielen Batterien für die Energieversorgung der Zukunft?
Eine sehr zentrale. Wir werden vermehrt Energiequellen nutzen, die nicht dauerhaft zur Verfügung stehen. Es scheint nicht immer die Sonne oder weht immer Wind. Um solche Schwankungen abzufangen, benötigen wir effektive Speicherlösungen im Netz. Batterien sind deswegen eine – wenn auch nicht die einzige – fundamentale Säule für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland und Europa.
Welche Bedeutung hat Ihre Arbeit an der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB [kurz: Fraunhofer FFB] dabei? Worauf sind Sie stolz?
Bei Batterien sind wir aktuell stark von Lieferungen aus Märkten außerhalb von Europa abhängig. Sollten die aufgrund geopolitischer Spannungen oder anderer Restriktionen nicht mehr verfügbar sein, könnten wir beim Aufbau der Verkehrs- und Energiewende vor ernsthaften Problemen stehen. Daher ist die effiziente Produktion von Batteriespeichern in Europa und Deutschland sehr entscheidend für unsere Zukunft. Wir haben da als Team bei Fraunhofer FFB bereits einige Meilensteine erreicht. Einige von uns sind schon seit fünf Jahren dabei und zu Beginn erschienen manche Dinge unerreichbar. Jetzt stehen wir kurz vor der Inbetriebnahme einer Fabrik. Das erfüllt mich wirklich mit Stolz – besonders, weil es von außen viele Zweifel hinsichtlich unserer Kompetenz als junges Team gab.

Das Team scheint ein wichtiger Motivator für Sie zu sein. Was treibt Sie darüber hinaus täglich an, die Fraunhofer FFB voranzubringen?
Richtig, das Team ist eine wirklich wichtige Motivationsquelle für mich. Darüber hinaus ist es mein Glaube, dass wir an der richtigen Sache arbeiten. Wir brauchen die Batteriezellfertigung in Europa, um unabhängig zu sein. Und ich möchte den Wirtschaftsstandort stärken. Maschinen sollen in Europa produziert werden, damit hier Arbeitsplätze entstehen. Zu guter Letzt habe ich als Maschinenbauingenieurin natürlich auch Interesse daran, die nächste Hightech-Technologie mitzuentwickeln.
Wie sind Sie dorthin gekommen, wo Sie heute beruflich stehen? Und welche Unterstützung war für Sie dabei wichtig?
Nach dem Studium habe ich mir die Frage gestellt: „Habe ich Lust auf Führung?“. Das konnte ich mit einem klaren „Ja“ beantworten. Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen. In einem Team sehe ich meine Stärke darin, zu kommunizieren und zu organisieren. Ich stelle die Weichen, damit Expertinnen und Experten tief in die Materie eintauchen und Lösungen entwickeln können. Auf dem Weg dorthin war die Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen sowie Führungskräfte von enormer Bedeutung. Ich merke heute noch, wie sehr sie mich geprägt haben – besonders durch ihre saubere und akkurate Arbeitsweise sowie die Art und Weise, wie sie mich motiviert haben. Auch der Rückhalt meiner Familie war für mich sehr wertvoll. Sie hat mich immer darin bestärkt, zu mir selbst zu stehen.
Was begeistert Sie an Ihrem Fachbereich? Gab es einen Wendepunkt, an dem Ihnen klar wurde, dass Sie in Ihrem heutigen Forschungsbereich arbeiten möchten?
Was mich an meinem Fachbereich begeistert, ist dieser bunte Blumenstrauß an Aufgaben. Ich kann im Labor arbeiten, Getriebe skizzieren, Maschinen bauen oder auch programmieren. Meine fachliche Ausbildung ist so breit gefächert, dass ich mich auch problemlos auf andere Projekte spezialisieren könnte – sollte mein Interesse für die Batterieforschung vielleicht irgendwann mal nachlassen.
Ein Wendepunkt auf meinem beruflichen Weg war definitiv mein Praktikum im MEET der Universität Münster. Dort wurde mir bewusst, welches Potenzial und welche Relevanz in der Batterieforschung steckt – und zwar nicht nur für die Elektromobilität, sondern für einen breiten Anwendungsbereich. Ich erkannte, dass ich mit meiner Arbeit etwas Nützliches schaffen kann. Diese Erfahrungen stärkten mein Selbstbewusstsein: Ich hatte eine Spezialisierung gefunden, die sonst niemand in meinem Studium verfolgte. Der Vergleich mit anderen fiel dadurch weg. Das hat mir geholfen, weil ich mich in einigen Bereichen, wie der Mechanik oder Getriebetechnik, unsicher fühlte. Das waren oft Themen, in denen Männer typischerweise besonders gut waren.
Wenn Sie Ihrem jüngeren Ich einen Tipp geben könnten – welcher wäre das?
Neugierig bleiben, auf das Herz hören. Das tun, was sich richtig anfühlt und nicht unbedingt das, was sich richtig anhört. Nach meinem Studium habe ich mich gefragt, ob ich mich auf Digitalisierung spezialisieren sollte. Das war damals ein Trend in der Maschinenbaubranche, dem viele folgten. Aber ich hatte gar kein Interesse an Informatik. Heute bin ich dankbar dafür, dass ich nicht auf den Zug aufgesprungen bin. Ich habe in mich reingehorcht, was sich richtig anfühlt.
Gab es Frauen in der Wissenschaft, die Sie persönlich besonders inspiriert haben, Ihren Berufsweg einzuschlagen?
Meine Vorbilder bewegen sich eher in meinem persönlichen, nahen Umfeld – Personen, von denen ich mir etwas abschauen wollte. Das waren vor allem ehemalige Führungskräfte oder Kolleginnen, aber auch Professorinnen der RWTH Aachen. Ich persönlich hatte immer hohe Erwartungen an mich selbst bezüglich der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Kindern. Und da fiel es mir schwer, weibliche Vorbilder zu finden, die alles unter einen Hut bekommen. Es ist bis heute eine Herausforderung, den entsprechenden Austausch zu finden. Aber mittlerweile habe ich tatsächlich einige inspirierende Gesprächspartnerinnen gefunden und es macht Spaß, das Thema voranzutreiben.
Haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn geschlechtsbezogene Rollenbilder erlebt?
Leider ja. Ich würde gerne behaupten, dass das kein Thema mehr ist. Tatsache ist aber, dass ich mein Fachwissen oftmals unter Beweis stellen musste. Vielleicht wäre meine Kompetenz an manchen Punkten in meiner Karriere gar nicht erst infrage gestellt worden, wenn ich ein Mann wäre. Häufig komme ich außerdem in die Situation, dass ich als einzige Frau unter 30 Männern in Meetings sitze. Grundsätzlich sehe ich diese Tatsache aber weder als Chance noch als Bürde an. Wichtig ist, neben Fachwissen auch die nötigen Soft Skills zu erlernen – sich durchzusetzen, sich Gehör zu verschaffen und durch die Schulung der eigenen Kommunikationsfähigkeiten auf Augenhöhe mitsprechen zu können. Aber ich liebe Herausforderungen, deshalb stelle ich mich dem auch immer wieder gerne.
Was würden Sie jungen Frauen raten, die später in den Naturwissenschaften arbeiten möchten?
Dass wir die gleichen Veranlagungen und das gleiche Potenzial wie Männer haben. Wenn wir auf etwas Lust haben, können wir es genauso weit bringen wie sie. Ich bin fest davon überzeugt, dass nicht die Gene oder das Geschlecht entscheidend sind, sondern die Leidenschaft, die in uns steckt. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, woran man wirklich Freude hat. Niemand sollte sich auf einen Karriereweg drängen lassen, nur weil es die Gesellschaft so von einem erwartet.
Welche Vision haben Sie für Frauen und Forscherinnen im Batteriebereich?
Ich würde gerne eine Frauenquote von 50 Prozent in meinem Team erreichen. Natürlich hängt das auch von den Bewerberinnen ab, die sich für diesen Bereich interessieren. Ich wünsche mir also, dass sich mehr Frauen trauen, diesen Weg einzuschlagen. Ich hoffe, dass ich mich irgendwann in einem Arbeitsumfeld bewege, in dem Frauen in gleichen Teilen vertreten sind. Denn eins ist ganz klar: Heterogene Teams sind deutlich leistungsfähiger. Eine zu hohe Homogenität führt oft zu einem Mangel an Kreativität. Viele Ideen kommen gar nicht erst auf den Tisch. Wir brauchen heterogene Teams, um die besten Ergebnisse zu erreichen.

Dr.-Ing. Saskia Wessel
Dr.-Ing. Saskia Wessel ist studierte Maschinenbauerin und seit Anfang 2020 Bereichsleiterin „Produkt- und Produktionstechnologie“ der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Themenbereichen Material und Elektrochemie, Anlagen- und Prozessauslegung sowie Produkt- und Produktionstechnologie.
Batterien und Speicher
Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB
Die Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB ist eine Einrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft am Standort Münster. Ihr Konzept sieht eine Kombination aus Labor- und Produktionsforschung für unterschiedliche Batteriezellformate – Rundzelle, prismatische Zelle und Pouchzelle – vor. Die Mitarbeitenden der Fraunhofer FFB erforschen je nach Bedarf einzelne Prozessschritte oder die gesamte Produktionskette. Gemeinsam mit den Projektpartnern/-innen des Batterieforschungszentrums MEET der Universität Münster, des Lehrstuhls PEM der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich schafft die Fraunhofer-Gesellschaft in Münster eine Infrastruktur, mit der kleine, mittlere und Großunternehmen, aber auch Forschungseinrichtungen, die seriennahe Produktion neuer Batterien erproben, umsetzen und optimieren können.
Im Rahmen des Projektes »FoFeBat« fördern das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt und das Land Nordrhein-Westfalen den Aufbau der Fraunhofer FFB mit insgesamt rund 820 Millionen Euro. Dabei fördert der Bund die Fraunhofer FFB mit bis zu 500 Millionen Euro für Forschungsanlagen und -projekte, das Land Nordrhein-Westfalen investiert rund 320 Millionen Euro für Grundstücke und Neubauten.