• Portrait Prof. Matuschewski Kai Matuschewski, Abteilung für Parasitologie, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin
    “Krankheiten wie Malaria sind humanitäre Katastrophen, die täglich stattfinden und die uns alle angehen.”
  • Portrait Dr. med. Philipp Zanger Philipp Zanger, Institut für Tropenmedizin, Kompetenzzentrum BW, UK Tübingen
    “Wachstum macht aus den Entwicklungsländern von heute die Schwellenländer von morgen.”

Warum sollen wir unsere Forschungskapazitäten in Krankheiten stecken, die uns kaum betreffen?

  • Portrait Prof. Matuschewski

    Kai Matuschewski: Krankheiten wie Malaria sind humanitäre Katastrophen, die täglich stattfinden und die uns alle angehen. Zudem hat Deutschland die UNO-Menschenrechtscharta unterschrieben, die allen Menschen und insbesondere Kindern ein Grundrecht auf ein gesundes Leben zuspricht. Unsere Aufgabe in der Forschung ist es, dafür die Grundlagen und Mittel zu erarbeiten.

    In Deutschland liegen die aktuellen Prioritäten in der Gesundheitsforschung jedoch eher im Bereich der hiesigen Volkskrankheiten, die auch bedingt durch den demografischen Wandel auf dem Vormarsch sind, oder der individualisierten Medizin.

  • Portrait Philipp Zanger

    Philipp Zanger: Die Bevölkerung in Deutschland altert. Gleichzeitig werden chronische Krankheiten wie Diabetes und Krebs häufiger. Zweifel an einer Verwendung nationaler Ressourcen zur Lösung globaler Gesundheitsprobleme erscheinen daher berechtigt. Dennoch gibt es auch jenseits humanitärer Motive gute Gründe für eine Beteiligung deutscher Einrichtungen an Forschungsvorhaben die auf eine verbesserte Behandlung und Prävention vernachlässigter Infektionskrankheiten zielen.

    Zum einen betreffen diese Erkrankungen häufig die junge Generation in Entwicklungsländern und sind gerade auf dem afrikanischen Kontinent ein entscheidendes Hemmnis für ein stabiles Wirtschaftswachstum – eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft und damit stabiler politischer Verhältnisse. Somit leistet Forschung zu vernachlässigten Krankheiten einen wichtigen Beitrag zur Überwindung immer wieder aufflammender Unruhen und militärischer Konflikte, die uns Deutsche in vielerlei Hinsicht direkt betreffen, sei es in Form unserer Beteiligung an internationalen Friedensmissionen oder der hieraus resultierenden Migration. Auch der Industriestandort Deutschland profitiert: Wachstum macht aus den Entwicklungsländern von heute die Schwellenländer von morgen. Von deren Nachfrage nach Hochtechnologie und Konsumgütern wird unser Export orientiertes Land in Zukunft noch stärker als bereits heute abhängen.

    Daneben gibt aber auch noch einen ganz unmittelbaren Grund weshalb wir die existierende Expertise in der Erforschung und Behandlung solcher Erkrankungen erhalten und weiter ausbauen sollten: viele vernachlässigte Krankheiten werden durch Vektoren, also Insekten wie beispielsweise Stechmücken auf den Menschen übertragen. Im Süden Europas haben sich, wohl als Folge der Erderwärmung, bereits einige dieser Vektoren ausgebreitet – mit fatalen Folgen. Im Sommer vergangenen Jahres wurde der erste Fall einer Übertragung des Dengue-Virus – ein der vernachlässigten Krankheit – in Südfrankreich bekannt. Bislang ein Einzelfall, der aber die Möglichkeit einer sich flächenbrandartig über Europa ausbreitenden Epidemie verdeutlicht, mit unabsehbaren Folgen für die Bevölkerung, das Gesundheitswesen und unsere Wirtschaft. Wir brauchen also Expertenwissen über diese bei uns bislang seltenen Erkrankungen um unsere Bevölkerung auch in Zukunft wirksam vor der Bedrohung sich ausbreitender Infektionen zu schützen.

    Alle dargelegten Gründe zeigen deutlich: die finanziellen Belastungen eines deutschen Engagements in der Erforschung vernachlässigter Erkrankungen liegt im ureigenen und nicht zuletzt auch ökonomischen Interesse unseres Landes, denn eine fortgesetzte Vernachlässigung wird für uns alle wahrscheinlich um ein vielfaches kostspieliger werden.