• Portrait Prof. Matuschewski Kai Matuschewski, Abteilung für Parasitologie, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin
    “Tuberkulose ist eine der ganz großen gesundheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.”
  • Portrait Dennis Nurjadi Dennis Nurjadi, Institut für Tropenmedizin, Kompetenz- zentrum BW, UK Tübingen
    “In Afrika beispielsweise, wo die HIV Durchseuchungsrate sehr hoch ist, sind Ko-Infektionen mit HIV und Tuberkulose keine Seltenheit.”

Tuberkulose und die Afrikanische Schlafkrankheit schienen kontrolliert. Beide sind wieder stark verbreitet, v.a. Tuberkulose ist (auch in Europa) wieder auf dem Vormarsch. Wie konnte das passieren?

  • Portrait Prof. Matuschewski

    Kai Matuschewski: Diese Entwicklung war so nicht vorhersehbar und die Gründe sind sehr komplex. Bei der Afrikanischen Schlafkrankheit führte eine Reihe von Bürgerkriegen in den betroffenen Staaten dazu, dass die Gesundheitssysteme zusammenbrachen. So konnten sich die Krankheitserreger erneut verbreiten. Durch die intensive Arbeit internationaler Hilfs-Organisationen konnte sie aber mittlerweile wieder unter Kontrolle gebracht werden.

    Bei der Tuberkulose ist der Fall anders gelagert. Durch den Systemwechsel in Osteuropa verlor die Gesundheitsförderung an Priorität, Hygienebedingungen verschlechterten sich und die Tuberkuloseerreger wussten die Lücken zu nutzen. In Asien und Afrika ist die Tuberkulose insbesondere in der Kombination mit einer HIV –Infektion auf dem Vormarsch: Das Immunsystem ist durch die HIV-Infektion geschwächt, was der Erreger geschickt auszunutzen weiß. Dazu kommen die Resistenzentwicklungen auf Seiten der Erreger – eine Entwicklung, die man so nicht vorhersehen konnte. Die Erreger sind raffiniert, wandeln sich stetig und wissen jede Nische zur Verbreitung zu nutzen.

    Tuberkulose ist eine der ganz großen gesundheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Nur die Entwicklung eines neuen Impfstoffes kann die immer wieder ausbrechenden Erreger nachhaltig eindämmen.

  • Portrait Dennis Nurjadi

    Dennis Nurjadi: Die afrikanische Schlafkrankheit, auch afrikanische Trypanosomiasis genannt, ist eine tödliche Erkrankung, die hauptsächlich in Zentralafrika vorkommt. In den 1960er Jahren galt die Erkrankung als so gut wie besiegt. Aufgrund Bürgerkriege und Unruhen in Endemiegebieten konnte keine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet werden. Fehlendes Interesse an dieser Erkrankung ist auch ein nennenswerter Grund. Die vorhandenen Medikamente stammen aus den 1930er Jahren, und haben erhebliche Nebenwirkungen. Aufgrund der komplexen Oberflächenstruktur der Erreger ist die Entwicklung eines billigen Impfstoffes auch nicht in Sicht.

    Anders als die Schlafkrankheit sind viel mehr Menschen weltweit von Tuberkulose betroffen, nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Europa. Hier fehlt es, im Gegensatz zur Schlafkrankheit, weder an Interesse noch an Forschungsgeldern - die Finanzierung blieb in den letzten Jahren relativ stabil. Forschungsprojekte, neue Medikamente und effektivere Therapieschemen zu entwickeln, werden auch weltweit betrieben. Dennoch nimmt die Durchseuchungsrate rasant zu, Tendenz steigend. Hierfür gibt es viele verschiedene Gründe, wie zunehmender Bevölkerungsdichte sowie schlechte medizinische Versorgung in vielen ärmeren Ländern und im Zuge der Globalisierung ist die Verbreitung dieser Keime nicht mehr aufzuhalten.

    Menschen, die mit HIV infiziert sind, sind anfälliger für Tuberkulose. Die Anzahl der HIV-Infizierten hat in den letzten Jahren stark zugenommen. In Afrika beispielsweise, wo die HIV Durchseuchungsrate sehr hoch ist, sind Ko-Infektionen mit HIV und Tuberkulose keine Seltenheit. Diese Immunschwäche Erkrankung HIV/AIDS führt zu einer Reaktivierung von durchgemachte Tuberkulose-Infektion oder gar eine neue Infektion. Ein noch wichtiger Faktor ist die zunehmende Resistenz vieler Mykobakterien (Erreger von Tuberkulose) gegen gängige wirksame Antibiotika. Inadäquate und unregelmäßige Therapie für diese Infektion führt zu vermehrter Resistenzbildung, virulentere Stämme können daraus resultieren und somit ist die Übertragung rasanter.

    Im Moment haben nach Angaben der WHO zwischen 400,000 und 500,000 Menschen weltweit Tuberkulose. Um die Weiterverbreitung dieser Erkrankung zu kontrollieren, hat die WHO ein globales ‚Stop TB’ Programm ins Leben gerufen, mit dem Ziel die Anzahl der Infizierten und Todesrate bis 2015 um 50% zu senken und bis 2050 die Weiterverbreitung dieser Krankheit zu beherrschen. Bessere medizinische Versorgung, Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe sowie adäquate Aufklärung sind Bestandteile dieses Programms. Seit der Einführung des Programms scheint die Anzahl der Neuinfektion stabil zu bleiben, Tendenz sinkend. Die zunehmende allgemeine Interesse und die Bereitstellung von Forschungsgeldern, um diese Erkrankung zu kontrollieren, ist der treibende Faktor zum Erfolg.