• Portrait Dr. Christa Scheidt-Nave Christa Scheidt-Nave, Epidemiologie nicht übertragbarer Krankheiten, Robert Koch Institut
    “Wenn also Kleinkinder „viel im Mist spielen“, dann verringert sich die Empfindlichkeit was Parasiten, Würmer, Bakterien oder Viren angeht.”
  • Portrait Prof. Dr. Hajo Zeeb Hajo Zeeb, MSc, Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS)
    “Die Hygienehypothese besagt, dass das kindliche Immunsystem sich ohne Auseinandersetzung mit normalen Bakterien und Viren (dem „Schmutz“) nicht ausreichend entwickelt.”

Hilft Schmutz beim Schutz vor Allergien?

  • Portrait Dr. Christa Scheidt-Nave

    Christa Scheidt-Nave: Zum Zusammenhang zwischen „Schmutz“ und Allergien gibt es eine Reihe aktueller Studien, die belegen, dass bei der Ausbildung von Allergien tatsächlich die vorgeburtliche und frühkindliche Prägung des Immunsystems eine Rolle spielt. Ein Beispiel ist die Gabriel-Studie von Frau Professor Erika von Mutius von der Dr. von Haunerschen Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Wenn also Kleinkinder „viel im Mist spielen“, dann verringert sich die Empfindlichkeit was Parasiten, Würmer, Bakterien oder Viren angeht. Sind die Allergien allerdings bereits ausgebrochen, hilft aller Schmutz nichts mehr.


    Und: Ausreichend Schmutz reicht nicht zum Schutz. Die Wahrscheinlichkeit für Allergien ist immer auch eine Frage der genetischen Veranlagung. Wie bei anderen Volkskrankheiten kommen weitere Faktoren hinzu, die längst nicht alle geklärt sind. Schimmelbildung in Innenräumen erhöht das Risiko für Allergien. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass veränderte Umweltbedingungen wie klimatische Veränderungen oder auch Schadstoffbelastungen der Außenluft das Risiko für Allergien erhöhen, indem sie den Kontakt zu bereits verbreiteten Allergenen verlängern oder verstärken oder auch das Auftreten neuer Allergene begünstigen. Beispiele hierfür sind der verlängerte Pollenflug oder die Verbreitung neuer Pflanzenarten durch zunehmende Durchschnittstemperatur und Trockenheit.

    Dass möglicherweise auch ein Zusammenhang zwischen Immunsystem und Ernährung besteht, zeigen Ergebnisse der Grundlagenforschung. Wichtige Informationen zu möglichen Einflussfaktoren liefert ein ‚natürliches Experiment’: Vor dem Mauerfall waren Ostdeutsche weniger von Allergien betroffen als Westdeutsche, mittlerweile hat sich die Verbreitung von Allergien in beiden Teilen Deutschlands deutlich angenähert. Genetische Unterschiede können hier keine Rolle spielen. Im Westen waren exotische Früchte oder der Verzehr Lebensmittel außerhalb der Saison gang und gebe während man im Osten auf heimisches, und damit saisonales Obst und Gemüse, wie Äpfel, Kartoffeln oder Kohl angewiesen war. Es gibt jedoch auch viele weitere Faktoren, deren Zusammenspiel in laufenden bundesweiten quer- und längsschnittlichen epidemiologischen Studien des Robert Koch-Instituts untersucht werden.

  • Portrait Prof. Dr. Hajo Zeeb

    Hajo Zeeb: Allergien sind mittlerweile wirklich sehr verbreitet. Die Hygienehypothese besagt, dass das kindliche Immunsystem sich ohne Auseinandersetzung mit normalen Bakterien und Viren (dem „Schmutz“) nicht ausreichend entwickelt, und in der Folge die Gefahr einer Allergieentwicklung ansteigt. Dafür gibt es aus vielen Disziplinen der Wissenschaft, von der Immunologie zur Mikrobiologie und Epidemiologie, gute Hinweise. Das soll nicht bedeuten, dass Sauberkeit und Hygiene aus gesundheitlichen Gründen abzulehnen ist – in vielen Bereichen ist ein hohes Maß an Infektionskontrolle einfach unabdingbar und trägt enorm zu unserer Gesundheit bei. Aber gerade im frühen Kindesalter scheint ein Übermaß an Hygiene eben auch Probleme mit sich zu bringen.