Warum haben immer mehr Leute Asthma?



  • Portrait Peter Kardos Peter Kardos, Deutsche Atemwegsliga e.V
    “Über die Ursache des Anstiegs gibt es nur Hypothesen; der westliche Lebensstil scheint hier eine wesentliche Rolle zu spielen.”
  • Portrait Erika von Mutius Erika von Mutius, Ludwig-Maximilians-Universität München, Dr. von Haunersches Kinderspital
    “Gene können das Auftreten von Asthma nicht allein erklären, Umweltfaktoren tragen wesentlich dazu bei.”
  • Portrait Robert Bals Robert Bals, Klinik für Innere Medizin, Universitätsklinikum des Saarlandes
    “Umweltverschmutzung und auch ein zu saubere Umwelt („zuviel Hygiene“) können hier eine Rolle spielen.”

Warum haben immer mehr Leute Asthma?

  • Portrait Peter Kardos

    Peter Kardos: Die Häufigkeit des Asthmas in der Bevölkerung ist in den Industrieländern in den letzten 50 Jahren deutlich gestiegen. Seit 10 Jahren scheint dieser steile Anstieg jedoch abzuflachen. Die meisten neuen Asthmafälle treten bei Kindern auf. Die wichtigste Ursache des Asthmas ist die Atopie, d.h. die Neigung gegen Allergene in der Luft eine Überempfindlichkeit zu entwickeln. Die wichtigsten Allergene dabei sind Pollen, Hausstaub-milben, Schimmelpilze und Allergene, die von Tieren stammen.
    Über die Ursache des Anstiegs gibt es nur Hypothesen; der westliche Lebensstil scheint hier eine wesentliche Rolle zu spielen. In weniger entwickelten Ländern ist die Asthmahäufigkeit deutlich geringer. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung war Asthma in der DDR viel seltener als in der alten Bundesrepublik. Längst haben sich die Unterschiede ausgeglichen.
    Es ist darüber hinaus wahrscheinlich, dass Asthma - die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter -  zu oft diagnostiziert wird. Einige der mittels Fragebögen oder gar ärztlich diagnostizierten Asthmapatienten haben in Wirklichkeit gar kein Asthma. 

  • Portrait Erika von Mutius

    Erika von Mutius:  Weltweit nimmt die Zahl der Asthmapatienten seit hundert Jahren kontinuierlich zu. Besonders drastisch fiel der Anstieg in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten in den westlichen Industrienationen aus. Dort scheint allerdings mittlerweile die Zahl zu stagnieren. Vor allem in den USA, Großbritannien und Australien – also den Ländern, die die weltweite Asthmastatistik anführen - bleibt die Rate der Betroffenen seit wenigen Jahren konstant oder nimmt sogar leicht ab. Auch in Deutschland stagniert die Zahl der Asthmapatienten seit zwei bis drei Jahren.

    Weltweit ist die Erkrankung nichtsdestotrotz weiterhin auf dem Vormarsch. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern Afrikas, Lateinamerikas und Teilen Asiens verzeichnen Statistiken einen Anstieg der Patientenzahlen.

    Die wohl wichtigste Ursache für diese Entwicklung scheinen veränderte Lebensumstände zu sein. Deshalb wird Asthma auch immer wieder als Zivilisationskrankheit bezeichnet. Welche Faktoren dazu beitragen, dass Asthma in den Industrienationen so stark zugenommen hat, darüber gibt es bislang vor allem Vermutungen. Eine groß angelegte Studie mit dem Kurznamen GABRIEL hat 60 verschiedene Forschungseinrichtungen in ganz Europa einbezogen, in welchen Wissenschaftler untersuchen, welchen Anteil Gene und Umwelteinflüsse bei der Entstehung von Asthma haben. Mehr als 40.000 Betroffene wurden im Rahmen von GABRIEL untersucht. Beteiligt ist unter anderem das Dr. von Hauner´sche Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München. Auch die in der ISAAC-Studie gewonnenen Daten wurden auf mögliche Zusammenhänge zwischen Lebensbedingungen und Asthmaentstehung bzw. –häufigkeit ausgewertet. Die Ergebnisse haben ein neues, bislang unbekanntes Gen für Asthma bei Kindern gefunden, das sog. ORMDL3 Gen. Sie haben zudem Gene, die für die Funktion der Atemwegsschleimhaut und der angeborenen Immunität identifiziert, die ebenfalls das Asthmarisiko erhöhen. Es ist aber auch klar geworden, dass diese Gene das Auftreten von Asthma allein nicht erklären können, sondern dass verschiedene Umweltfaktoren wesentlich dazu beitragen. 

  • Portrait Robert Bals

    Robert Bals: Beim Asthma ist das Immunsystem falsch gesteuert, erkennt Stoffe der Umwelt als schädlich und versuche diese abzuwehren.  Das Immunsystem ist normalerweise wichtig, um den Körper vor Infektionen zu schützen. In den ersten Lebensjahren wird das Immunsystem durch Umwelteinflüsse geprägt. Man geht davon aus, dass die Veränderungen der Lebensgewohnheiten zum Anstieg von Allergieerkrankungen und auch Asthma führen. Insbesondere Umweltverschmutzung und auch ein zu saubere Umwelt („zuviel Hygiene“) können hier eine Rolle spielen.