• Portrait Reinhard Burger Präsident des Robert-Koch- Instituts (RKI)
    “Im RKI ist zum Beispiel deutlich geworden, dass es wichtig ist, über das eigene Handeln rasch und ausreichend zu informieren.”
  • Portrait Elisabeth Pott Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
    “Der kontinuierliche fachliche Austausch und die Zusammenarbeit hat die Klärung der Infektionsquelle überhaupt ermöglicht.”
  • Portrait Helge Karch Universität Münster, Medizinische Fakultät
    “Wir haben weiterhin für die Zukunft gelernt, dass wir die Erforschung von seltenen Erregern vernachlässigt haben.”
  • Portrait Timo Ulrichs Koch-Metschnikow-Forum
    “Dass die Fahndung nach der Infektionsquelle und die Aufklärung der Übertragungswege sehr schwierig sein können.”

Was haben Sie aus der EHEC-Infektionswelle gelernt?

  • Portrait Reinhard Burger

    Reinhard Burger: Die beteiligten Akteure müssen das Geschehen noch auswerten. Ich gehe davon aus, dass jeder seine Erfahrungen gemacht hat und Schlussfolgerungen zieht. Im RKI ist zum Beispiel deutlich geworden, dass es wichtig ist, über das eigene Handeln rasch und ausreichend zu informieren, vor allem die Fachöffentlichkeit als wichtigste Zielgruppe des Instituts. Wichtig wäre auch eine von allen Gesundheitsbehörden gemeinsam genutze einheitliche Informationsplattform, so dass die Daten über Erkrankungen quasi in Realzeit beim RKI eingehen, ohne den bisherigen Meldeverzug. Dabei sollten zum Beispiel Ärzte aus ihrer eigenen Praxis- oder Krankenhaussoftware heraus per Mausklick meldepflichtige Diagnosen absetzen können.

  • Portrait Elisabeth Pott

    Elisabeth Pott: Das Ausbruchsgeschehen hat beteiligte Kliniken, viele Forscher des Robert Koch-Instituts und des Bundesinstituts für Risikobewertung und andere Institutionen auf Bundes- und Landesebene intensiv beschäftigt. Der kontinuierliche fachliche Austausch und die Zusammenarbeit hat die Klärung der Infektionsquelle überhaupt ermöglicht. Das ist sehr erfreulich, vor allem wenn man bedenkt, dass dies bei einem Großteil der EHEC-Ausbrüche weltweit nicht immer gelungen ist. Wir haben aber auch gesehen, dass im Akutfall der Bedarf an konkreten, gut verständlichen und praktikablen Empfehlungen zum Umgang mit möglichen Infektionsquellen groß ist. Außerdem möchten die Menschen erfahren, auf welcher Grundlage diese Handlungsempfehlungen entstehen.

  • Portrait Helge Karch

    Helge Karch: Es hat in den vergangenen Jahren eine trügerische Ruhe bezüglich EHEC-Erkrankungen geherrscht, da seit Einführung der Meldepflicht im Jahre 2001 die Erkrankungszahlen konstant und auf relativ niedrigem Niveau im Vergleich zu Salmonellosen und Campylobacteriosen waren.

    Wir hatten zunächst einen Ausbruchs-stamm der in der Vergangenheit am häufigsten aufgetretenen EHEC-Stämme erwartet. Wir haben sehr schnell gelernt, dass diese Vermutung nicht stimmte. Stattdessen identifizierten wir einen bislang sehr seltenen und nicht weiter auffälligen EHEC-Klon, der in seinem genetischen Repertoire sehr ähnelte. Der Ausbruch durch einen EHEC mit Seltenheitscharakter traf unser Gesundheitssystem in manchen Regionen wie ein Blitz aus heiterem Himmel und hat alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen gestellt.

    Wir haben weiterhin für die Zukunft gelernt, dass wir die Erforschung von seltenen Erregern vernachlässigt haben, was wir zukünftig ändern müssen. Wir wissen so gut wie nichts über das transiente Reservoir des Ausbruchsstammes in der Umwelt und seiner Ökologie, seine Überlebensfähigkeit z.B. in oder auf Lebensmitteln, seine Empfindlichkeit gegenüber Konservierungsmitteln, osmotischem Stress und pH-Wert-Veränderungen sowie seinem Konkur-renzverhalten mit anderen Mikroorganismen. Ähnliche Fragen ergeben sich bezüglich seiner Pathogenität und des Immunschutzes der Bevölkerung.

    Als Fazit gilt, dass seltenen EHEC-Erregern, die in der Natur existieren, in Zukunft mehr Beachtung geschenkt werden muss. Um bildlich zu sprechen: für den nächsten „Blitz aus heiterem Himmel“ sollten wir mit einem gut funktionierenden Blitzableitersystem ausgerüstet sein. Beim jetzigen EHEC-Ausbruch profitierten wir bereits in der Forschung von der Vernetzung verschiedener Experten aus der Human- und Veterinärmedizin sowie Lebensmittelmikrobiologie mit langjähriger EHEC-Expertise, etwa durch die vom BMBF geförderten Zoonosenforschungsverbünde FBI-Zoo und PBA-Zoo. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit muss weiter ausgebaut werden. Denn die Erreger machen nicht vor Fachgrenzen halt, ganz im Gegenteil: Sie vagabundieren bisher unauffällig zwischen der belebten und unbelebten Umwelt, wobei ihre Wege noch aufgeklärt werden müssen.

  • Portrait Timo Ulrichs

    Timo Ulrichs: Dass die Fahndung nach der Infektionsquelle und die Aufklärung der Übertragungswege sehr schwierig sein können. Ich habe auch gelernt, dass bei der Bewältigung eines solchen Ausbruches neben der eigentlichen Eindämmung auch die Krisenkommunikation einen entscheidenden Stellenwert besitzt. Eine transparente Aufklärung der Bevölkerung über den Stand der Infektionsbekämpfung und eine offene Kommunikation ihrer Schwierigkeiten tragen wesentlich zu einem adäquaten Verhalten der Bevölkerung während der Infektionswelle bei.

    Darüber hinaus habe ich gelernt, wie schnell Kontaminationen aus dem Lebensmittelbereich in eine Infektionswelle umschlagen können und dass deshalb offensichtlich die Kontrollmechanismen in diesem Bereich verbessert werden können.