Was sollte an der heutigen Krebsbehandlung optimiert werden?



  • Portrait Peter M. Schlag Peter M. Schlag, Direktor des Charité Comprehensive Cancer Center in Berlin
    “Neben einer verbesserten Frühdiagnostik ist vor allem ein a priori interdisziplinärer Behandlungsplan zu priorisieren.”
  • Portrait Michael Hallek Michael Hallek, Direktor der Klinik I für Innere Medizin an der Uni Köln und des Centrums für Integrierte Onkologie
    “Die Standards der medizinischen Versorgung von Krebs-Patienten sind bundesweit immer noch unterschiedlich.”
  • Portrait Rupert Handgretinger Rupert Handgretinger, Ärztlicher Direktor der Allgemeinen Pädiatrie, Hämatologie und Onkologie der Uniklinik Tübingen
    “Die Behandlungsergebnisse bei kindlichen Krebserkrankungen haben sich über die Jahre hinweg drastisch verbessert.”
  • Portrait Renate Pfeifer Renate Pfeifer, betroffene Mutter und Patientenvertreterin der Deutschen Kinderkrebsstiftung
    “Interdisziplinarität spielt eine wichtige Rolle, so dass Übergänge von ambulanter und stationärer Behandlung reibungslos erfolgen.”
  • Portrait Dirk Jäger Dirk Jäger, Direktor am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, Leiter der Abteilung Medizinische Onkologie
    “Wir suchen Biomarker, die dabei helfen, die Behandlung individueller zu gestalten.”

Was sollte an der heutigen Krebsbehandlung optimiert werden?

  • Portrait Peter M. Schlag

    Peter M. Schlag: Neben einer verbesserten Frühdiagnostik ist vor allem ein a priori interdisziplinärer Behandlungsplan zu priorisieren. Tumorerkrankungen, vor allem in den fortgeschrittenen Stadien, sind eine so komplexe Erkrankung, dass nie eine Fachdisziplin allein in der Regel die Heilung erreichen kann. In der Krebsbehandlung spielt vor allem bei soliden Tumoren die chirurgische Tumorentfernung inklusive der regionalen Lymphknoten nach wie vor eine wichtige und entscheidende Rolle. Die Behandlungsergebnisse können aber auch hier durch eine auf den Einzelfall abgestimmte Vor- oder Nachbehandlung mit Zytostatika oder Bestrahlung nachdrücklich verbessert werden. In diesem Kontext werden zukünftig vermehrt Medikamente bzw. Substanzen eine Rolle spielen, welche gezielt identifizierte onkogene Veränderungen attackieren. Solche bahnbrechenden Fortschritte in der Krebsbehandlung sind allerdings nur im Rahmen umfangreicher Forschungsprojekte und sorgfältig geplanter Studien möglich. Die schnelle Übertragung von Erkenntnissen der Grundlagenforschung in die Klinik wird sich hier mithilfe von völlig neuen Behandlungskonzepten, insbesondere im Rahmen so genannter Comprehensive Cancer Center, voran getrieben. In diesen Zentren ist neben der aparativen Ausstattung in den Standardbehandlungsverfahren vor allem die unmittelbare Nähe zur patientenorientierten Forschung der derzeitig wichtigste Schritt zur weiteren Optimierung der Krebsbehandlung. Dem Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung wird dabei eine prägende Aufgabe und herausragende Rolle zufallen.

  • Portrait Michael Hallek

    Michael Hallek: Fortschritte in der Vorbeugung, Früherkennung, Diagnostik und Therapie der Krebserkrankungen haben die Überlebenschancen und die Lebensqualität krebskranker Menschen in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Doch die Standards der medizinischen Versorgung von Krebs-Patienten sind bundesweit immer noch unterschiedlich. Unser Ziel ist es, dass alle Tumorpatienten zukünftig in einem Netzwerk – stationär und ambulant – nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft interdisziplinär versorgt, psycho-sozial begleitet und nachge-sorgt werden.
    Um die Krebsmedizin bundesweit zu verbessern und auf ein Spitzen-Niveau zu bringen, fördert die Deutsche Krebshilfe bereits seit 2007 im Rahmen des Programms „Onkologische Spitzenzentren“ die Bildung von regionalen Versorgungs-Netzwerken. Jedes der insgesamt 11 Zentren erhält von der Deutschen Krebshilfe eine dreijährige Förderzusage über jeweils eine Million Euro pro Jahr. Diese Zentren sind regional vernetzt mit den Kliniken und niedergelassenen Ärzten der Umgebung und sollen dazu beitragen, die Versorgung von Tumorpatienten in Deutschland stetig zu verbessern.

    Doch für die flächendeckende Versorgung aller Krebs-Patienten in Deutschland reichen die Spitzenzentren nicht aus. Gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft und der Arbeitsge-meinschaft Deutscher Tumorzentren hat die Deutsche Krebshilfe daher ein um-fassendes, dreistufiges Programm auf den Weg gebracht: Neben den Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe sollen auf der zweiten Ebene, in den so genannten Klinischen Onkologischen Zentren, die in den Spitzenzentren abgestimmten Standards für alle Aspekte der onkologischen Versorgung, Forschung, Früherkennung und Prävention zum Wohle der Patienten umgesetzt werden. Hier steht jedoch nicht – wie bei den universitären Spitzenzentren – die Forschung im Vordergrund. Die dritte Ebene mit den so genannten Organ-krebszentren rundet das 3-Stufen-Konzept ab. Letztlich sollen diese Strukturen dazu führen, dass Krebs-Patienten in Deutsch-land flächendeckend nach einheitlichen, hohen Qualitätsstandards behandelt und versorgt werden.  

  • Portrait Rupert Handgretinger

    Rupert Handgretinger: Die Behandlungsergebnisse bei kindlichen Krebserkrankungen haben sich über die Jahre hinweg drastisch verbessert. Während 1960 noch alle an Leukämie erkrankten Kinder starben, können heutzutage ca. 90% der Kinder mit Leukämie dauerhaft geheilt werden. Diese Verbesserung wurde vor allem durch den kombinierten und abwechselnden Einsatz verschiedenster Zytostatika erreicht. Allerdings gibt es auch Krebsarten, sie sich trotz intensivster Chemotherapie weniger gut behandeln lassen, wie etwa metastasierte Sarkome. Für solche Erkrankungen werden in Zukunft zum einen neue Medikamente (sogannte small molecules) eine Rolle spielen, die gezielt bestimmte Signalwege in den Tumorzellen blockieren und somit das Wachstum hemmen und zum anderen Medikamente, die das Immunsystem des Patienten positiv beeinflussen, damit körpereigene Abwehrmechanismen Tumorzellen eliminieren können. Bei Erwachsenen haben sich solche Ansätze (Antikörper, Tumorimpfung) schon bewährt, bei Kindern wird derzeit intensiv daran geforscht. Letztendlich sind Verbesserungen dadurch zu erwarten, dass chemo- und strahlentherapeutische Ansätze intelligent mit solchen neuen Ansätzen kombiniert werden.

  • Portrait Renate Pfeifer

    Renate Pfeifer: Krebsbehandlungen erfordern eine große Kompetenz. Kinder und Jugendliche werden oft in speziellen Zentren behandelt und die Erfolge sind beeindruckend. Nahezu 80 % der Kinder und Jugendlichen werden geheilt.
    Auch bei Erwachsenen sind Spezialisten gefordert. In geeigneten Institutionen werden Diagnostik und Therapie vollständig, schnell und nach aktuellem Stand der medizinischen Erkenntnisse durchgeführt. Dabei spielt die Interdisziplinarität eine wichtige Rolle, so dass Übergänge von ambulanter und stationärer Behandlung reibungslos erfolgen und eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten gelingen kann. Der Therapieerfolg muss bei jedem einzelnen Patienten kontrolliert werden. Erfolglose Therapien müssen umgestellt oder abgebrochen werden.
    Schließlich ist nicht alles, was möglich ist, für den einzelnen Patienten gut. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist eine umfassende Aufklärung erforderlich. Die Patienten benötigen hier eine qualifizierte Versorgung, die auch das Recht auf einen würdevollen Tod einschließt.

  • Portrait Dirk Jäger

    Dirk Jäger: Unser Ziel für die Zukunft ist es, bei den verschiedenen Krebserkrankungen mehr molekulare und immunologische Marker zu finden. Solche Biomarker können dabei helfen, die Behandlung individueller zu gestalten: Bestimmte Patienten könnten dadurch von einer besseren Wirksamkeit der Therapie profitieren. Bei anderen dagegen könnten wir erkennen, dass die Behandlung wahrscheinlich nicht anschlägt und sie so vor unnötigen Nebenwirkungen schützen.