Von Bienen und Milben

Ausschnitt aus dem Filmplakat von "More than Honey" © Senator

Der Schweizer Regisseur Markus Imhoof steht seit Mitte der 1970er Jahre für Spielfilme mit dokumentarischen Elementen. Sein neustes Werk heißt „More than Honey“: Imhoof beschreibt Leben und Leiden der Honigbiene. Selbst in eine Imkerfamilie hineingeboren, besucht er Bienenfreunde und -farmer in der ganzen Welt, um das Schicksal der Honigbiene zu erkunden, das unter anderem von der auf Bienen parasitierenden Varroa-Milbe abhängt. Hauptdarsteller sind 15 Bienenvölker, die Imhoof und sein Team auf einem Fabrikgelände nahe Wien filmisch begleiten und in beeindruckenden Makroaufnahmen porträtieren.

Zum Trailer "More than Honey" auf YouTube.

 

Das Wissenschaftsjahr 2012 hat zwei Bienenexperten gebeten, den Film von Markus Imhoof aus wissenschaftlicher Sicht zu kommentieren, und lädt zur Diskussion ein.

Mehr Sachlichkeit wäre angebracht

Das Plakat zum Film „More than Honey“ wirbt mit einem dramatischen Zitat: „Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus.“ Ob Albert Einstein diesen ihm oft zugeschriebenen Satz tatsächlich gesagt hat, ist nirgends belegt. Sicher ist jedoch: Die Westliche Honigbiene, um die es in dem Film von Markus Imhoof geht, kann er nicht gemeint haben.

Denn Apis mellifera, so ihr wissenschaftlicher Name, kam bis vor wenigen hundert Jahren in Australien, Nord-, Mittel- und Südamerika gar nicht vor. Dr. Pia Aumeier, Bienenforscherin an der Ruhr-Universität Bochum, fragt ironisch: „Herrschte dort Ödnis und Wüste? Gab es dort etwa keine Pflanzen, Tiere und Menschen?“

Doch nicht nur an diesem Zitat, sondern auch an der Grundaussage des Films, der Bestand der Honigbiene sei bedroht, übt die Wissenschaftlerin Kritik: Zwar stelle die im Film genannte Varroa-Milbe (Varroa destructor) eine ernst zu nehmende Gefahr für die heimische Honigbiene dar, sei aber durch den Imker gut zu bekämpfen. „Hat der Imker Varroa im Griff, geht es der Honigbiene heute so gut wie nie zuvor in ihrer Entwicklungsgeschichte“, so Pia Aumeier. „Niemals waren die Pflanzenschutzmittel in Mitteleuropa so bienenfreundlich, niemals vorher gab es jemanden, der dafür sorgte, dass Bienen im Winter nicht mehr an Parasiten oder Hunger sterben, niemals vorher hatte die Honigbiene, die auf massenhaft vorkommende Blüten eingestellt ist, ein so gutes Nahrungsangebot wie heute in der intensiven Landwirtschaft, zum Beispiel mit riesigen Rapsfeldern.“

Dr. Gerhard Liebig von der Universität Hohenheim kritisiert darüber hinaus weitere Aussagen, so die zu den sogenannten „Killerbienen“: „Die ‚Killerbienen’ als Rache der geplagten Honigbienen darzustellen ist abwegig. Brasilien ist seit Ausbreitung der ‚Killerbiene’ zum Honigexportland aufgestiegen.“ Zu der Behauptung „Bienen vergessen nicht“ meint er: „Es wird im Film gesagt, dass jeden Tag bis zu 2.000 Bienen schlüpfen und auch 2.000 Bienen sterben. Es fehlt aber der ergänzende Hinweis, dass zwischen Geburt und Tod von April bis August nur zwei bis drei Wochen liegen. Wie schnell ist da vergessen!“

„Sachlichkeit und Besinnung auf die tatsächlichen Gefahren für die Honigbiene wären angesagt“, so das Fazit von Dr. Aumeier. Inzwischen sei wissenschaftlich belegt, dass Honigbienenvölker dann sterben, wenn der Imker bei der Bekämpfung der Varroa-Milbe versagt. „So simpel – und vielleicht langweilig – sind die Tatsachen.“

Mit diesem wissenschaftlichen Hintergrund wirkt „More than Honey“ also sicherlich weniger dramatisch, aber auch weniger bedrohlich: Weder ist die Honigbiene noch ist der Mensch vom Aussterben bedroht.

1 - 2 von 2 Kommentar(e)

Andreas Diethelm

Donnerstag, 08.11.12 18:51

Mit der Aussage: „Niemals waren die Pflanzenschutzmittel in Mitteleuropa so bienenfreundlich", bewegt sich Pia Aumeier auf Boulevardniveau. Entscheidend ist wo und wann welche Mengen an bienentötenden Insektiziden - und das sind fast alle - eingesetzt werden. Über diesbezügliche Kenntnisse scheint sie nicht zu verfügen. Anstatt über die Situation "in Australien, Nord-, Mittel- und Südamerika bis vor wenigen hundert Jahren" zu sinnieren, hätte sie sich besser qualifiziert über die Entwicklung in Europa und den USA heute geäussert. "Sachlichkeit" reklamiert Aumeier und "Tatsachen" beschwört sie. Beides widerlegt sie selber, bedenklich für eine Wissenschafterin.

Goldmull

Donnerstag, 08.11.12 12:24

Hallo,
ich schätze Frau Dr. Aumeier eigentlich sehr, aber ich finde auch dieser Kommentar ist ein wenig einseitig. Sicher bin auch ich gegen übertriebene Dramatik, wie es in diesem Film anklingt. Trotzdem heißt es wachsam bleiben. Sicher haben wir sehr bienenfreundliche Pflanzenschutzmittel, aber eben auch andere. Und eine falsche Anwendung hat bei unseren Riesenackerflächen dramatische Auswirkungen wie z.Bsp. 2008 in Süddeutschand. Und sie Aussage: * ein so gutes Nahrungsangebot wie heute in der intensiven Landwirtschaft, zum Beispiel mit riesigen Rapsfeldern.“ * trifft nur auf die Zeit der Rapsblüte zu. Was kommt danach auf unseren Felden? Nichts. Kein Rotklee, keine Phacelia, keine Luzerne, keine Sonnenblumen - zumindest nicht bei uns in Sachsen-Anhalt. Da muß schon was getan werden um das Nahrungsangebot wieder vielfältiger und über die ganze Bienensaison hinweg zu gestalten. Das würde auch unseren Wildbienen gefallen, denn denen geht es meiner Beobachtung nach auch nicht gut.
Mit besten Grüßen
Detlef

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