„Mikroplastikdetektive – Suche nach Mikroplastik an deutschen Küsten“

17.09.2022
Ein Gastbeitrag von Dr. Bruno Andreas Walther (Alfred-Wegener-Institut)

Die Plastikverschmutzung der Meere wächst exponentiell an. Das hat negative Folgen für marine Ökosysteme, aber auch für den Menschen. Marine Ökosysteme leiden schon unter zahlreichen Stressfaktoren. In manchen Fällen könnte Plastikverschmutzung der zusätzliche Faktor sein, der Ökosysteme zum umkippen bringt. Um die Verschmutzung mit Mikroplastik entlang der deutschen Küste besser zu verstehen, haben Bürgerwissenschaftler:innen Sandproben entlang der deutschen Nord- und Ostseeküste erhoben.

Plastikverschmutzung wächst exponentiell an

„Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode“ (William Shakespeare). Unser Wirtschaftssystem beruht immer noch auf der irreführenden Annahme, dass unendliches exponentielles Wachstum möglich ist. Ein typisches Beispiel ist die Plastikproduktion, die seit dem Ende des 2. Weltkrieges exponentiell angestiegen ist. 1950 wurden zwei Millionen Tonnen Plastik hergestellt, 2015 schon 320 Millionen Tonnen, und insgesamt schon mindestens 8.300 Millionen Tonnen. Davon sind schätzungsweise 150 Millionen Tonnen bisher in die Meere gelangt. Folgemäßig wächst auch die Plastikverschmutzung exponentiell an, insbesondere in Hotspots wie dem Mittelmeer oder Ostasien, aber letztendlich überall. Plastikverschmutzung ist ein globales Umweltproblem geworden. Trotzdem geht die Plastikindustrie von weiterem exponentiellen Wachstum aus.

 

Plastikverschmutzung gefährdet Ökosysteme und menschliche Gesundheit

Die wissenschaftliche Untersuchung der globalen Plastikverschmutzung ist noch eine junge Wissenschaft. Fast alle Studien wurden in den letzten zehn Jahren veröffentlicht. Darum gibt es auch weiterhin viel Forschungsbedarf. Allerdings kann man schon sagen, dass Plastikverschmutzung mittlerweile ein zusätzlicher Belastungsfaktor für marine Ökosysteme ist, die schon durch eine Vielzahl von anderen Stressfaktoren stark belastet sind: Marine Ökosysteme leiden schon gewaltig unter Klimawandel, Übersäuerung des Meerwassers, Überfischung und Lebensraumzerstörung, invasive Arten, und Vergiftung mit Düngemitteln, Pestiziden, Schwermetallen und den gelösten Inhaltsstoffen von Plastikprodukten. Die rasant anwachsende Plastikverschmutzung muss darum im Zusammenhang mit diesen anderen Stressfaktoren beurteilt werden. Selbst wenn Plastikverschmutzung allein nicht zu negativen Auswirkungen führt, kann Plastikverschmutzung in Zusammenspiel mit all den anderen Stressfaktoren der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sprich: der das Ökosystem unwiederbringlich schädigt oder gar zerstört.

Und es gibt auch Hinweise auf potentielle Gefährdungen der menschlichen Gesundheit: viele der in Plastik enthaltenen Chemikalien bringen z. B. den Hormonhaushalt durcheinander, und Mikro- und Nanoplastik können wahrscheinlich ab einer bestimmten Konzentration körperliche Funktionen beeinträchtigen. Kleinere Mikro- und Nanoplastikpartikel können von den Verdauungsorganen in andere Bereiche des Körpers gelangen, z. B. in die Gebärmutter und das Gehirn. Einige der Auswirkungen einer solchen Plastikvergiftung sind wahrlich besorgniserregend, wie z. B. Verhaltensstörungen und Mortalität in Laborfischen.

 

Mikroplastikdetektive – Bürgerwissenschaftler:innen suchen nach Mikroplastik

Der Makromüll an deutschen Stränden wird schon seit Jahrzehnten erfasst. Kleinere Müllteilchen, insbesondere Mikroplastik, wurden aber bisher kaum erfasst. Darum haben Bürgerwissenschaftler:innen bei dem Projekt Mikroplastikdetektive des Alfred-Wegener-Instituts Sandproben entlang der deutschen Nord- und Ostseeküste erhoben. Das Projekt soll auch das Bewusstsein für dieses Umweltproblem stärken und das Wissenschaftsverständnis von Bürger:innen verbessern. Die erarbeiteten Ergebnisse des Projekts können dann als Grundlinie für weitere Forschung und Monitoring dienen.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2022 – Nachgefragt!​

Weiterführende Informationen

Alfred-Wegener-Institut Website

NDR-Beitrag „Wie viel Mikro- und Mesoplastik verbirgt sich im Strandsand?“

Beitrag in der Zeitschrift Natur- und Umweltschutz 2021

Facebook und Twitter

Vita

Dr. Bruno Andreas Walther promovierte über Vogelektoparasiten an der Oxford University und arbeitete an wissenschaftlichen Institutionen auf fünf Kontinenten. Seitdem hat er Beiträge zu einer Vielzahl von Forschungsrichtungen veröffentlicht, hauptsächlich über das Verhalten, die Ökologie und den Schutz von Vögeln, aber auch über statistische Methoden, die Auswirkungen von Klimawandel auf Natur und Menschen, und in den letzten Jahren verstärkt über die Plastikverschmutzung der Meere und Küsten.