Foto vom Tag der Seltenen Erkrankungen mit Schirmherrin Eva Luise Köhler. (Quelle: ACHSE e.V.)

Den Diagnoseweg beschleunigen

    Bis 2013 will das „Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen“ einen detailliertem Aktionsplan zur Verbesserung der Situation Betroffener erstellen. Oberstes Gebot: Netzwerke schaffen.

    Je seltener eine Krankheit, desto wichtiger wird es für den Einzelnen, gut vernetzt zu sein", sagt Dr. Miriam Schlangen, Leiterin der Geschäftsstelle des NAMSE, dem "Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen." Am 8. März 2010 wurde das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen gegründet. Auf Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit haben sich die Kooperationspartner BMG, BMBF und die Achse e.V. (Allianz chronisch seltener Erkrankungen) mit 25 Bündnispartner zusammengeschlossen um, ausgehend von bereits bestehenden Strukturen und auf der Grundlage europäischer Erfahrungen Vorschläge für einen nationalen Aktionsplan für Seltene Erkrankungen zu erarbeiten.

    „Mit NAMSE gibt es ein Koordinierungs- und Kommunikationsgremium, das die Aufgabe hat, bestehende Initiativen zu bündeln, Forscher und Ärzte besser zu vernetzen, Informationen für Ärzte und Patienten zusammenzuführen und eine bessere Patientenversorgung auf den Weg zu bringen“, fasst Schlangen zusammen. Konkret heißt das: In Arbeitsgruppe werden für die Bereiche Diagnose, Forschung, Versorgung und Information verbesserte Strukturen erarbeitet. „Wie kann ich Diagnosewege verkürzen?“, „Wie kann ich den Informationsfluss verbessern?“ oder „Wo sind die Experten für welche Krankheiten?“ sind dabei nur einige der Fragen, die sich in konkreten Maßnahmen beantworten lassen sollen. Bis 2013 soll ein erster Nationalplan vorliegen.  

    Wie wichtig Netzwerke sind, zeigt sich derzeit beispielweise bei der Muskeldystrophie Duchenne (DMD), einer schweren Muskelschwäche, die nur Jungen betrifft. „Das Transnationale hat die Sache deutlich vorangebracht“, sagt Janbernd Kirschner, Kinderneurologe und Oberarzt am Universitätsklinikum Freiburg.  Diese Erkrankung ist eine an Jungen vererbte, nicht heilbare Muskelkrankheit, bei der vor allem die rumpfnahe Muskulatur immer schwächer wird. Meist sterben die Betroffenen im frühen Erwachsenenalter an einer zunehmenden Schwäche der Atem- und Herzmuskulatur.

    Durch Initiative der Wissenschaftler Volker Straub und Hans Lochmüller entstand 2003 zunächst das MD-NET (Muskeldystrophie-Netzwerk), das seither Ärzte und Wissenschaftler aus ganz Deutschland zusammenbringt, deren Interesse der Erforschung der Erkrankung gilt. Ziel ist es, die Diagnose der Krankheit zu optimieren und Therapien zu deren effektiven Behandlung zu entwickeln. Längst ist man mit dem europäischen Netzwerk TREAT-NMD verbunden, so dass erstmals Register angelegt werden konnten, die weltweit mittlerweile über 10.000 betroffene Patienten erfassen.

    International geltende Behandlungsstandards

    International geltende Behandlungsstandards empfehlen die regelmäßige Vorstellung in einem Muskelzentrum mit Kontrollen der motorischen Funktion sowie von Herz und Atmung. Der Erfolg lässt sich bereits in einer gesteigerten Lebenserwartung der Betroffenen ablesen. Doch das Netzwerk hat noch einen anderen Effekt: Aus dem Seltenen wurde eine große, unübersehbare Gruppe. „Gerade bei den seltenen Krankheiten sind derartige Zusammenschlüsse von Experten und Betroffenen essentiell“, sagt Kinderarzt Kirschner. Nur so bekomme man Fallzahlen zusammen, um für Pharmakonzerne interessant zu werden. Denn die investieren eher in die Erforschung großer Volkskrankheiten wie Krebs oder Diabetes, da hier größere Gewinnspannen winken. Nun läuft für Duchenne eine Studie mit Exon Skipping, der am weitesten vorangeschrittenen genetischen Technik für eine Therapie dieser Krankheit. Noch weiß man nicht, ob die Therapie wirklich hilft, aber die Hoffnung ist groß. Auch weitere neue Medikamente sind in der Entwicklung.    

    Auch Janbernd Kirschner setzt auf Netzwerke: Mit dem europäischen Projekt CARE-NMD leitet der Mediziner eine Initiative, die die Zusammenarbeit vieler Fachleute und Patientengruppen fördern will. Ziel ist es die Voraussetzungen zu schaffen, damit die aktuellen Behandlungsempfehlungen in ganz Europa umgesetzt werden können. Dabei wird auch geprüft, wie die Praxis zurzeit in verschiedenen europäischen Ländern aussieht und wie sich das auf die Lebensqualität der Patienten auswirkt.  

    „Es ist ein europäisches Projekt, das sich speziell um die Verbesserung der Versorgung von Patienten bemüht. Hierzu gehört zum Beispiel die Übersetzung und Verbreitung von Informationsmaterial“, sagt Kirschner. „Ich hoffe, dass möglichst viele Betroffene davon profitieren können.“    

     

    Weiterführende Informationen:  

    Damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Gesundheitsforschung bei Seltenen Erkrankungen schneller zu Ergebnissen gelangen, unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) deren Erforschung pro Jahr mit etwa 30 Millionen Euro, die in verschiedene Maßnahmen fließen. Besonderen Stellenwert genießen 16 nationale Netzwerke für Seltene Erkrankungen, die mit rund acht Millionen Euro pro Jahr finanziert werden. Die Netzwerke sorgen für die bessere Verbreitung neuester Erkenntnisse und dienen somit auch der erfolgreicheren Patientenversorgung.

    BMBF: Seltene Erkrankungen

    BMBF: Netzwerke – Nationale Förderung

    Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen

    Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Tübingen 

    Freiburg Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Freiburg

    Rare Diseases Europe – Die Stimme der Menschen mit seltenen Krankheiten in Europa

    Duchenne:

    Das deutsche Muskeldystrophie-Netzwerk

    Das europäische Muskeldystrophie-Netzwerk

    Care NMD

     

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